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Die Diener des Boesen

Die Diener des Boesen

Titel: Die Diener des Boesen
Autoren: Christopher Golden , Nancy Holder
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ganzen Tag hatte er eine Klasse nach der anderen besucht. Er hatte pflichtgemäß die Infoblätter über Hotlines und das neue Straßenkinderasyl verteilt, das Liz DeMarco gegründet hatte, eine Frau, deren eigene Tochter von zu Hause ausgerissen war. Es war auch höchste Zeit für ein solches Projekt gewesen. Wenn es dieses Asyl schon gegeben hätte, als Brian weggelaufen war...
    In einer der Klassen hatte ein Mädchen die Hand gehoben und aus heiterem Himmel gefragt: »Haben Sie etwas von Brian gehört?«
    Der Schmerz, ja, und die Scham hatten Jamie wie ein doppelter Scotch durchflutet. Für einen Moment war er sprachlos gewesen. Er stotterte und stammelte hilflos vor sich hin, nicht bereit - und nicht in der Lage -, seinen Schmerz mit diesem Kind zu teilen.
    Aber Rupert Giles, der in der hintersten Reihe saß (der Bibliothekar hatte keine eigene Klasse, war aber gekommen, um sich Jamies Vortrag anzuhören), räusperte sich und sagte: »Habe ich richtig verstanden, dass das Asyl Spenden braucht, ja? Vielleicht könnte der Key Club eine Spendenaktion veranstalten. Oder irgendeine andere Wohltätigkeitsorganisation. Die Sache ist es allemal wert.«
    Das Gespräch wurde von Brian abgelenkt, aber das Mädchen schien weiterhin beunruhigt zu sein. Vielleicht hatte sie für ihn geschwärmt. Jamie nahm sich vor, hinterher mit ihr zu reden, aber als die Glocke losschrillte und die Schüler aus dem Raum drängten, verlor er sie aus den Augen.
    Rupert war zu ihm gekommen und sagte: »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, alter Knabe ?« Und dann hatte er ihn zu einer Tasse Tee in die Bibliothek eingeladen.
    Sie hatten geredet und sich dabei auf gefährliches Terrain begeben, obwohl der Engländer sich als sehr britisch erwies, sehr diskret eben und ein wenig zurückhaltend. Auf die Wahrung der Privatsphäre bedacht. Das war okay. Jamie war ohnehin nie sehr gut darin gewesen, über seine Gefühle zu sprechen. Vielleicht war Brian deshalb weggelaufen.
    Bei dieser Gelegenheit fiel Jamie auch ein, wo er Giles' Namen schon einmal gehört hatte. Oder vielmehr gelesen. In einer Kriminalakte. Über die Sunnydale High-Lehrerin, die ermordet und deren Leiche im Bett ihres Freundes deponiert worden war. Der Freund war Giles gewesen.
    Verdammt harte Sache.
    Er war zwar nicht mit dem Fall betraut gewesen, aber nachdem er erfahren hatte, dass Rupert darin verwickelt war, hatte Jamie ein wenig herumgeschnüffelt. Bis jetzt hatte er nichts Belastendes gefunden. Es sah auch nicht so aus, als würde er noch etwas finden. Er erzählte Giles nichts von seinen Nachforschungen. Der Mann hatte ihm die Hand zur Freundschaft gereicht, und Jamie wollte die Geste auf seine Art erwidern. Nein. Er würde es ihm nicht erzählen, bis er neue Informationen gesammelt hatte, die vielleicht Licht ins Dunkel brachten. Er verriet Giles auch nicht, wie lange der Bibliothekar nach der Ermordung seiner Freundin als Hauptverdächtiger gegolten hatte.
    Jetzt - als er sich an die Freundlichkeit des Mannes erinnerte und ihm bewusst wurde, dass er seit dem Zerbrechen seiner Familie viel zu wenig Freunde hatte - spielte Jamie kurz mit dem Gedanken, auf Ruperts Angebot zurückzugreifen, ihn jederzeit anzurufen, wenn er jemanden zum Reden brauchte. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast vier Uhr morgens. Selbst die Gutmütigkeit britischer Bibliothekare hatte ihre Grenzen.
    Rupert arbeitete erst seit drei Jahren als Schulbibliothekar. Jamies Sohn hatte er nie kennen gelernt. Der Mann hatte noch in England gelebt, als Brian verschwunden war. Giles konnte nicht wissen, was für ein wundervoller Junge Brian gewesen war.
    Heute war Brians Geburtstag. Neunzehn wurde er.
    Falls er noch am Leben war.
    Jamie Anderson betete, dass er noch lebte, und feierte den Geburtstag seines Sohnes mit einem Glas von dem guten Stoff. Der Fusel war für die übrigen dreihundertvierundsechzig Nächte des Jahres. Er betete, dass er bald von seinem Sohn hörte. Er betete, dass Brian wieder anrief.
    Ein Anruf. Ein einziger Anruf in den letzten vier Jahren. Sechs Wochen, nachdem Brian weggelaufen war, hatte das Telefon geklingelt, nur einmal.
    Sarah hatte Jamie angesehen und den Atem angehalten. Während sie ihn anstarrte, hatte sie den Hörer abgenommen, sich geräuspert und »Hallo?« gekrächzt.
    Nach dem Anruf hatte sie mühsam, Wort für Wort, wiederholt, was Brian gesagt hatte: »Mom, ich bin okay. Ich lebe. Ich rufe bald wieder an.« Dann war sie zusammengebrochen.
    Jamie war nicht dazu
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