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Die Diener des Boesen

Die Diener des Boesen

Titel: Die Diener des Boesen
Autoren: Christopher Golden , Nancy Holder
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und gelernt, damit zu leben.
    Sie glaubte, dass es ein persönlicher Exorzismus war, der sie all diesen Schmerz fühlen ließ, und sie wollte ihn auch herauslassen. Aber manchmal hatte sie den Eindruck, dass sie mit jeder Träne mehr als nur den Schmerz verlor. Eine Erinnerung. Die Fähigkeit, tief zu empfinden, von Herzen zu begehren ...
    Sie hielt den Atem an und stoppte den Fluss ihrer Tränen. Sie konnte es nicht mehr ertragen, nicht jetzt. Es war einfach so, dass es vor der Morgendämmerung am finstersten war. Zumindest würden das Leute wie Mrs. Calhoun oder die berühmte Babymalerin sagen. Aber für Buffy wurde die Welt immer dunkler, und die Morgendämmerung schien mehr und mehr in weite Ferne zu rücken.
    Draußen grollte ein Gewitter, ein Wolkenbruch kündigte sich an, und der Donner hallte in ihrem Zimmer wider. War das echter Donner?, fragte sie sich wie stets. Oder war es in Wirklichkeit ein Omen, dass sich etwas Böses anschickte, über die Stadt herzufallen, eine finstere Macht, die sie bekämpfen musste, wenn nötig bis in den Tod?
    Aber auch das brachte sie nicht zum Weinen. Wirklich nicht. Sie hatte ihre Pflichten als Jägerin akzeptiert. Sie suchte nicht nach einem Weg, sich ihnen zu entziehen.
    Sie versuchte nicht davonzulaufen.
    Nicht mehr.
    Versonnen betrachtete sie das, was von ihrem Leben als normaler
    Teenager übrig geblieben war: Mr. Gordo, ihr Plüschschwein, und all die anderen Stofftiere. Die Schmetterlinge an der Tür und ihre japanischen Schirme. Eine Freundin ihrer Mom war beim Anblick ihres Zimmer in helles Entzücken ausgebrochen. Natürlich ohne zu ahnen, dass in dem doppelten Boden ihres Kleiderschranks Phiolen mit Weihwasser versteckt waren, Knoblauchknollen und jede Menge spitze Holzpflöcke.
    Nein, wie süß!
    Auf dem Nachttisch stand ein Foto von Xander und Will. Buffy lächelte matt. Es gab nur eine Willow auf der Welt, und Xander konnte man genauso wenig klonen. Wunderbare Freunde, die gut zu ihr waren.
    Sie vernahm Stimmen und runzelte leicht die Stirn. Hatte Mom zu dieser frühen Stunde bereits Besuch? Oder befand sich etwas in diesem Haus, das nicht hierher gehörte?
    Ihre Jägerreflexe ließen sie aus dem Bett springen, in ihren Morgenrock schlüpfen und einen Holzpflock in die Tasche stecken. Lautlos eilte sie durch den Flur zur Treppe, um dort zu verharren und auf mögliche Gefahren zu lauern.
    Sie hörte ein Weinen, laut, verzweifelt. Sie kannte diese Art des Weinens. War ... damit vertraut.
    »Mom?«, rief sie leise.
    Sie lief die Treppe hinunter und dann in die Küche.
    Dort stand Joyce Summers in ihrem Morgenrock, die Haare vom Schlaf zerzaust, in ihren Armen eine Frau in einem schwarzen Regenmantel, die sich verzweifelt schluchzend an Buffys Mutter klammerte und kaum noch in der Lage war, sich auf den Beinen zu halten.
    »Sie werden ihn schon finden, Anne«, sagte Joyce. Sie hob den Kopf und sah Buffy an. Ihre Blicke trafen sich. Buffy wusste nicht, was sie tun sollte. Für einen Moment stand sie verlegen da, um dann auf Zehenspitzen aus dem Raum zu schleichen und auf der Treppe stehen zu bleiben.
    »Joyce, er ist doch noch so klein. Viel zu klein, um auszureißen. Ihm muss etwas zugestoßen sein. Etwas Schlimmes. Ich weiß es einfach. Ich weiß es!« Die Frau schrie fast. »Oh mein Gott, Timmy!«
    Buffy erstarrte, von Schuldgefühlen überwältigt. Sie hatte keinen Grund, sich schuldig zu fühlen, rief sie sich ins Gedächtnis zurück. Der Junge, der Timmy Stagnatowski gewesen war, war schon tot gewesen, bevor sie seinen wandelnden Leichnam gepfählt hatte. Sie hatte nicht das Kind dieser Frau getötet.
    Aber sie wusste, was ihm zugestoßen war, und doch konnte sie es seiner Mutter nicht sagen. Mrs. Stagnatowski würde sich bis an ihr Lebensende fragen, was mit ihrem glücklichen kleinen Jungen passiert war. Jede Nacht würde sie ans Fenster treten, nach draußen schauen und beten, dass er den Bürgersteig entlanggerannt kam. Wenn das Telefon klingelte, würde sie zusammenzucken. Für den Rest ihres Lebens.
    Buffy konnte ihr diese Qual ersparen. Sie konnte hier und jetzt die Frage beantworten.
    Mit hämmerndem Herzen stieg sie eine Stufe hinunter. Ihr war verboten, irgendjemand von dem Höllenschlund zu erzählen, von den Schrecken und Gefahren, die sie bekämpfte, um ihre Mitmenschen zu retten. Wäre es für Mrs. Stagnatowski besser, die Wahrheit zu kennen? Würde sie Buffy überhaupt glauben? Oder würde sie sie - wie früher ihre Mutter - für verrückt
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