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Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer

Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer

Titel: Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
Autoren: Christina Förster
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besuchen, um halbwegs anständige Noten zu schreiben.
    Nicht, dass er dumm gewesen wäre. Seine Lehrer hielten ihn sogar für „äußerst begabt“.
    Valerian schüttelte den Kopf. Kein Wunder, dass sie ihn für „äußerst begabt“ hielten. Das Berliner Schulniveau ist ein Witz! Als gebürtiger Münchner war er anderes gewohnt: Die Disziplin in den Klassen war höher. Der Respekt den Lehrern gegenüber war fast greifbar. Kein Wunder! Das Zauberwort hieß „Überraschungstest“. Die Lehrer waren nicht beliebt, sie waren gefürchtet. Manche Schüler betraten mit Bauchschmerzen das Schulgebäude. So war es ihm auch ergangen. Doch das schien alles so lange her zu sein, als sei es in einem anderen Leben gewesen.
    Doch, Schule ist in Berlin definitiv leichter.
    Dafür stimmte der Rest nicht. Die Stadt war dreckig und hässlich. Zugegeben, er war nicht weit herumgekommen und daher bestimmt kein Berlin-Experte. Wer zwischen Jugendamt und innerstädtischer Wohngruppe pendelte, der lief gewiss nicht Gefahr, die Schönheiten Berlins zu entdecken.
    Valerian war nun schon seit zehn Jahren in vormundschaftlicher Betreuung. Seine Eltern, Hanna und Richard Wagner, waren bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen, als er gerade einmal vier Jahre alt war. Das Schicksal wollte es, dass er zu dieser Zeit seine Großmutter besucht hatte. Ein Besuch, der drei Jahre andauern sollte …
    Sie hatte ihn geliebt wie einen eigenen Sohn und sie war es, die ihm Halt gegeben hatte nach diesem schweren Verlust. Als sie starb, blieb er allein zurück.
    Allein hieß jedoch nicht ohne Verwandtschaft . Tante Edith, die jüngere Schwester seiner Mutter, war nur zu glücklich, den damals Siebenjährigen aufzunehmen. Neben dem Gefühl, etwas Gutes zu tun, versprach ihr dieses christliche Werk auch ein regelmäßiges Einkommen. Kinder- und Pflegegeld sei Dank!
    Ihr Mann Björn wusste das Geld ebenfalls zu schätzen. Sein Alkoholkonsum wollte ja finanziert sein. Hin und wieder kam es zu Streitereien, die meist handgreiflich endeten. An dieser Stelle schaltete sich wieder das Jugendamt ein: Das Kindeswohl war an bestimmten Kriterien festgemacht, die es einzuhalten galt. Gewalt wurde nicht toleriert.
    Als Folge davon kam Valerian in die eine oder andere Pflegefamilie. Manche Leute waren nett, andere weniger. Meist waren Schulwechsel damit verbunden.
    Nach ein paar Monaten jedoch hatte Tante Edith – mit Hilfe des ausgenüchterten Björn – das Jugendamt so weit, dass sie das Sorgerecht zurückbekam, und der „Spaß“ ging von vorne los.
    Entsprechend „gut“ waren Valerians Noten und in der Klasse gingen Wetten um, wie lange er wohl diesmal bleiben würde.
    Björns Kündigung kam nur für ihn unerwartet. Die „Familie“ verlegte ihren Wohnsitz von Dachau nach Berlin. Valerian erfasste eine sofortige Antipathie gegen die Hauptstadt. Aber womöglich lag das nur daran, dass ein Björn auf Entzug noch widerlicher war als ein betrunkener Björn.
    Und auch hier war er wieder „der Neue“ in der Schule gewesen.
    Es gab viele Rollen im System „Schulklasse“, doch vom „Nesthäkchen“ über den „Clown“ bis hin zum „Klassenschläger“ war „der Neue“ definitiv die schlimmste. Und da er bei der Schulwahl nicht mitreden konnte, hatte er nie die Chance, dieser Rolle zu entkommen. Seine Erfahrung hatte ihn jedoch gelehrt, wie sich dieser Kreislauf durchbrechen ließ – und es erschien zudem noch sehr leicht. Er musste nur eines tun: lange genug dieselbe Schule besuchen, bis er nicht mehr neu war.
    Um dem etwas näher zu kommen, wollte er freiwillig in eine sozialpädagogische Wohngruppe ziehen. Mit viel Überredungskunst („Es kostet euch kein Geld!“) hatte sich Tante Edith schließlich breitschlagen lassen, ihr Einverständnis zu geben („Zum Wohle des Jungen!“). In einer Wohngruppe war man zwar auch der Außenseiter, aber zumindest war er sich sicher: Tiefer kann man nicht sinken! Und diesmal hing es von ihm ab, ob sein soziales Gefüge sich ändern würde, und nicht von den Trinklaunen Björns.
    In den letzten Wochen lief es auch recht gut mit Edith und Björn. Er war mit der neuen Arbeit auf dem Bau ausgelastet und sie verdiente sich bei Aldi etwas dazu. Der Anruf vom Jugendamt heute Morgen war unerwartet gekommen und er traf wie ein Schlag in den Magen. Egal, was sie von ihm wollten, es konnte nichts Gutes sein. Scheißtag!
    Die Türe öffnete sich und ein lächelnder Sozialarbeiter trat ihm entgegen. Herr Köppers war seit
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