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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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Torriti unterdrückte ein säuerliches Kichern. »Und weißt du, was Rudi gemacht hat?«
    »Was hat Rudi denn gemacht, Harvey?«
    » Am Abend vor seiner Hinrichtung hat er die verdammte Zigarette abgelehnt, weil an der Wand ein ›Rauchen verboten‹-Schild hing. Tja, das nenn ich deutsche Wesensart.«
    »Lenin hat mal gesagt, die einzige Möglichkeit, Deutsche dazu zu bringen, einen Bahnhof zu stürmen, wäre die, ihnen Bahnsteigkarten zu kaufen«, steuerte Silvan II bei.
    Jack lachte – eine Spur zu rasch, eine Spur zu herzhaft, für Torritis Geschmack.
    Der Zauberer trug eine ausgebeulte Hose und einen knöchellangen, zerknitterten grünen Mantel. Er beäugte seinen Lehrling und fragte sich, wie Jack sich wohl in einer heiklen Situation bewähren würde; er selbst hatte mit Müh und Not das Studium an einem kleinen College im Mittleren Westen geschafft und sich bis zum Ende des Krieges zum Major hochgedient, weshalb seine Toleranzschwelle für Abgänger von Harvard, Yale und Princeton äußerst niedrig war. Dieses Vorurteil erhielt weitere Nahrung, als er direkt nach dem Krieg für kurze Zeit beim FBI in der Abteilung für organisiertes Verbrechen gearbeitet hatte (bis J. Edgar Hoover persönlich Torriti auf dem Flur mit einer hautengen Hose und ohne Krawatte erwischte und auf der Stelle feuerte). Egal! In der Company konsultierte keiner die Leute an vorderster Front, wenn sie an den Eliteuniversitäten Rekruten anwarben und solche Pfeifen wie Jack McAuliffe auftrieben, einen Yale-Absolventen, der so grün hinter den Ohren war, dass er nicht mal auf die Idee gekommen war, eine Nummer zu schieben, als er sich von Torritis Nutten in der Woche, in der der Zauberer am Tripper erkrankt war, Informationen liefern lassen sollte.
    Torriti griff nach der Whiskeyflasche, schloss ein Auge, kniff das andere zusammen und füllte das Wasserglas genau bis zum Rand. »Ohne Eis ist es nicht das Gleiche«, murmelte er und rülpste, während er seine dicken Lippen vorsichtig zum Glasrand manövrierte. Er spürte, wie der Alkohol ihm in der Kehle brannte. »Kein Eis, kein Klimpern. Kein Klimpern, schlecht!« Er hob mit einem Ruck den Kopf und rief Jack zu: »Wie spät ist es, Kumpel?«
    Jack, bemüht, eine gute Figur zu machen, warf einen lässigen Blick auf die »Bulova«, die seine Eltern ihm zum Examen geschenkt hatten. »Er müsste seit zwölf, fünfzehn Minuten hier sein«, sagte er.
    Der Zauberer kratzte sich geistesabwesend das stopplige Doppelkinn. Er hatte keine Zeit zum Rasieren gehabt, seit die Berliner Basis vor achtundvierzig Stunden die Nachricht mit höchster Dringlichkeitsstufe empfangen hatte. Die Überschrift bestand aus einer Flut von internen Codes, ein Zeichen dafür, dass die Meldung direkt von der Spionageabwehr kam; von Mother persönlich. Wie alle Meldungen von der Spionageabwehr trug sie den Vermerk »CRITIC«, was bedeutete, dass man alles stehen und liegen lassen und sich auf die aktuelle Angelegenheit konzentrieren musste. Wie manche Meldungen von der Spionageabwehr – in der Regel solche, bei denen es um Überläufer ging – war sie durch eines der polyalphabetischen Systeme von Mother verschlüsselt, die nicht zu knacken waren. Sie bestanden aus zwei Chiffre-Alphabeten, mit denen sich jeder Buchstabe im Text vielfach ersetzen ließ.
     
    STRENG GEHEIM
    Von: Hugh Ashmead [das interne Kryptonym für Mother ]
    An: Alice Reader [das interne Kryptonym für Torriti]
    Betr.: Fette Beute
     
    Die Meldung setzte Torriti davon in Kenntnis, dass jemand, der sich als hochrangiger russischer Nachrichtenoffizier ausgab, seine Fühler ausgestreckt hatte. Irgendwie war das auf dem Schreibtisch von Mother gelandet, wie nach Torritis Erfahrung einfach alles auf diesem Schreibtisch landete. In der Nachricht wurde der Möchtegern-Überläufer mit dem Zufallskryptonym SNOWDROP bezeichnet, dem das Digraph AE vorangestellt war, was bedeutete, dass die Sache von der Sowjetrussland-Abteilung abgewickelt wurde; dann folgte der gesamte Inhalt der »201« – die Akte im Zentralregister der Company – über den Russen.
     
    Wischnewski, Konstantin: geb. entweder 1898 oder 1899 in Kiew; Vater, Chemiker und Parteimitglied, gest., als betreffende Person noch Kind war; mit 17 Jahren Kadett an Kiewer Militärakademie; Abschluss vier Jahre später als Artillerieoffizier; anschließend Studium an der Artillerieschule für Offiziere in Odessa; Eintritt in den militärischen Abwehrdienst zu Beginn des Zweiten Weltkrieges; vermutlich
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