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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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Dörfern vorbei, die die Nazis auf der Flucht dem Erdboden gleichgemacht hatten. Wir begruben die verstümmelten Leichen unserer Partisanen – und die der Frauen und Kinder, die man mit Flammenwerfern hingerichtet hatte. Nur zweiundvierzig von den ursprünglich zwölfhundertsechzig Männern meines Bataillons haben Berlin erreicht. Die Zeiger Ihrer Kuckucksuhr, Mister CIA-Agent, waren eine kleine Vergeltung für das, was die Deutschen uns im Krieg angetan haben.«
    Der Russe zog den Stuhl vom Tisch weg, so dass er sowohl Jack als auch den Zauberer beobachten konnte, und nahm Platz. Torritis Nasenflügel bebten, als er mit einem Nicken auf die Flasche Whiskey deutete. Der Russe, der nach billigem Eau de Cologne roch, lehnte kopfschüttelnd ab.
    »Okay, kommen wir zur Sache. Ich erwarte jemanden namens Konstantin Wischnewski.«
    »Der bin ich.«
    »Das Komische ist bloß, dass wir im Berliner KGB-Verzeichnis keinen Wischnewski, Konstantin finden konnten.«
    »Das liegt daran, dass ich unter dem Namen Wolkow geführt werde. Wie ist Ihr Name, bitte?«
    Der Zauberer war jetzt in seinem Element und genoss es. »Tweedledum ist mein Name.«
    »Tweedledum und weiter?«
    »Tweedledum und nichts weiter.« Torriti drohte dem Russen, der eine Armlänge vom Tisch entfernt saß, mit dem Zeigefinger. »Hören Sie, mein Freund, Sie spielen das Spiel hier offenbar nicht zum ersten Mal – Sie kennen die Grundregeln genauso gut wie ich.«
    Jack lehnte sich gegen die Wand neben der Tür und sah fasziniert zu, wie Wischnewski seinen Mantel aufknöpfte und ein ramponiertes Zigarettenetui hervorholte, aus dem er eine lange, dünne Papyrosi mit Pappfilter nahm. Aus einer anderen Tasche förderte er ein amerikanisches Luftwaffenfeuerzeug zutage. Sowohl seine Hände als auch die Zigarette zwischen seinen Lippen zitterten, als er den Kopf zur Flamme beugte. Das Anzünden schien seine Nerven zu beruhigen. Der Gestank von »Herzegovina Flor« durchwehte den Raum, die die russischen Offiziere in den überfüllten Varietés am Kurfürstendamm rauchten. »Bitte beantworten Sie mir eine Frage«, sagte Wischnewski. »Ist hier ein Mikrofon? Nehmen Sie unsere Unterhaltung auf?«
    Der Zauberer ahnte, dass sehr viel von seiner Antwort abhing. Den Blick unverwandt auf den Russen gerichtet, sagte er: »Ja.«
    Wischnewski seufzte geradezu erleichtert. »Das habe ich erwartet. An Ihrer Stelle würde ich das auch tun. Wenn Sie Nein gesagt hätten, wäre ich aufgestanden und gegangen. Überzulaufen ist wie ein Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden. Ich lege mein Leben in Ihre Hände, Mr. Tweedle, oder wie Sie heißen. Ich muss Ihnen vertrauen können.« Er zog an der Zigarette und blies den Rauch durch die Nase aus. »Ich bekleide den Rang eines Oberstleutnant beim KGB.«
    Der Zauberer reagierte darauf nur mit einem kurzen Nicken. Es herrschte eisiges Schweigen, während der Russe sich auf die Zigarette konzentrierte. Torriti machte keine Anstalten, die Leere zu füllen. Er hatte solche Situationen unzählige Male durchexerziert. Er wusste, wie wichtig es war, dass er eine Richtung und ein Tempo einschlug, die den Überläufer überraschten, dass er ihm auf subtile Weise klar machte, wer hier die Bedingungen stellte.
    »Ich fungiere offiziell als Kulturattaché und habe einen Diplomatenpass«, sagte der Russe weiter.
    Der Zauberer streckte eine Hand nach der Whiskeyflasche aus und ließ seine Finger liebevoll darüber gleiten. »Okay, die Sache läuft so«, sagte er schließlich. »Betrachten Sie mich als einen Fischer, der sein Netz vor der preußischen Küste ausgeworfen hat. Wenn ich meine, dass ich etwas gefangen habe, hole ich das Netz ein und sehe nach. Die kleinen Fische werfe ich wieder ins Wasser, weil ich strikte Anweisung habe, nur große Fische zu fangen. Fassen Sie das nicht persönlich auf. Sind Sie ein großer Fisch, Genosse Wischnewski?«
    Der Russe rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Also gut: Ich bin stellvertretender Leiter des Ersten Direktorats der KGB-Basis in Berlin-Karlshorst.«
    Der Zauberer holte ein kleines Notizbuch hervor und blätterte es durch bis zu einer Seite, die in winziger Schrift auf Sizilianisch voll geschrieben war. Er bekam regelmäßig Informationen von der Schwester einer Putzfrau, die in dem nur einen Steinwurf von Karlshorst entfernt liegenden Hotel arbeitete, wo die KGB-Offiziere aus der Moskauer Zentrale abstiegen, wenn sie nach Berlin kamen. »Am 22. Dezember 1950 ließ der KGB-Karlshorst seine
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