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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos
Autoren: David Brin
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Höhlengräbern als Nestmaterial anboten, im Austausch gegen ein paar Liter Zec-Honig.
    Die jungen Frauen besaßen alle eine gewisse Familienähnlichkeit, da sie von der gleichen Mutter abstammten wie Maia und Leie. Doch die Halbschwestern waren in dem steten Bewußtsein herangewachsen, was es bedeutete, einmalig zu sein, und sie verstanden es sicher noch ein wenig besser als die Zwillinge.
    Sie haben bestimmt noch mehr Angst als ich, dachte Maia mitfühlend.
    In den dunklen Nischen der Kapelle erkannte sie etliche ältere Lamai und die Priesterinnen, die vom städtischen Tempel gekommen waren, um die Zeremonie zu leiten. Maia stellte sich vor, wie die Wachskerzen angezündet wurden und mit ihrem Flackerschein die in das steinerne Heiligtum eingeritzten Zeilen aus dem Buch der Gründerinnen erleuchteten, ebenso wie die geheimnisvollen Zeichen des sogenannten »Rätsels von Lysos«, die eine gesamte Kirchenwand bedeckten. Wenn sie die Augen schloß, konnte sie jede Schnitzerei sehen, die rauhe Oberfläche der Säulen spüren, beinahe den Weihrauch riechen.
    Maia bereute es nicht, daß sie sich entschieden hatte, Leies Beispiel zu folgen und die ganze Scheinheiligkeit endgültig hinter sich zu lassen. Und doch…
    »Diese Einfaltspinsel«, fauchte Leie, die für ihre Gleichaltrigen nur ein verächtliches Schnauben übrig hatte. »Willst du zusehen, wie sie ihre Abschlußprüfung machen?«
    Nach kurzem Zögern schüttelte Maia den Kopf. Sie dachte an einen Vers des Dichters Wayfarer…
     
Der Sommer bringt die Sonne,
die sich breitet übers Land.
Doch der Winter, der bleibt lange
für die, die das erkannt.
     
    »Nein. Machen wir lieber, daß wir wegkommen.«
     
    Die Clanmütter der Lamai hatten ihre Finger im Speditionsgeschäft, in der Hochfinanz und auch in der Regierung des Stadt-Staates. Von den siebzehn größeren und neunzig kleineren Matriarchaten in Port Sanger war Lamatia eines der wichtigsten.
    Wenn man über die Märkte ging, wäre man nicht darauf gekommen. Zwar waren einige Lamai mit rotbraunen Haaren unterwegs – stolz und gleichförmig drall in ihren feingewebten Faltenröcken, schritten sie vor riesigen, livrierten, mit allerlei Paketen beladenen Lugars einher –, aber zwischen den geschäftigen Verkaufsständen und Lagerhäusern waren Mitglieder der Adelskaste so rar wie Sommervolk oder die äußerst selten auftauchenden Männer.
    Es gab eine Menge untersetzter, hellhäutiger Ortyns, vor allem dort, wo Waren be- oder entladen wurden. Bis auf die Narben, die das persönliche Schicksal dem einzelnen zugefügt hatte, unterschieden sich die Ortyns mit ihren breiten Boxernasen nicht voneinander. Sie sprachen kaum, da zwischen ihnen Worte so gut wie unnötig waren. Natürlich kamen aus diesem Clan nur sehr wenige Savanten, aber ihre körperliche Stärke und ihr Talent beim Führen von Lastkarren – vor allem beim Umgang mit den temperamentvollen Tänzelpferden – machte sie in ihrer Nische unübertroffen. »Warum Lugars durchfüttern«, lautete ein geflügeltes Wort aus der Gegend, »wenn man für die Schlepperei auch Ortyns kriegen kann.«
    Eine Gruppe der stämmigen Klonfrauen hatte auf der Musikerstraße ein Verkehrschaos verursacht; ihr Wagen legte den gesamten Verkehr lahm, und sechs identische Frauen mühten sich mit einem Flaschenzug ab, der am Dachsparren einer Werkstatt befestigt war. Wie viele Gebäude in diesem Teil der Stadt lehnte sich auch dieses weit über die Straße, wobei jedes Stockwerk, von Kragsteinen gestützt, ein Stück weiter vorragte. In manchen Gegenden stießen die Häuser über den engen Straßen zusammen und bildeten eine Art Torbogen, der den Blick auf den Himmel versperrte.
    Eine Menschenmenge hatte sich versammelt, die fasziniert zu der knarrenden Last hinaufblickte – ein Harfenspinett mit kunstvollen Holzintarsien, das vom Pasarg-Clan der Musikhandwerkerinnen für den Export in eine der fernen Städte im Westen hergestellt worden war. Vielleicht würde es zusammen mit Maia und Leie auf der Grimmvogel reisen… falls die Arbeiterinnen es heil auf die Erde bekamen. Eine Gruppe blasser, langfingriger Pasarg stand auf der Straße, und jedesmal, wenn die Pferde aufstampften und die Last über ihnen ins Schwanken geriet, kreischten sie nervös auf. Wenn das Musikinstrument zerschellte, war möglicherweise der Profit einer ganzen Arbeitssaison verloren.
    Für die Schaulustigen war die Aufregung eine willkommene Abwechslung an einem tristen Herbstmorgen.
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