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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos
Autoren: David Brin
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kniff er die Mädchen in den Hintern, so daß diese vor begeisterter Empörung aufkreischten und die Matronen ihm tadelnde Blicke zuwarfen. Offiziell arbeitete er als Tutor für die wenigen Jungen, aber er wurde rasch zum Liebling aller Kinder, weil er spannende, wunderschön ausgeschmückte Geschichten vom wilden, offenen Meer erzählen konnte. In diesem ersten Jahr hatte Bennett sich ganz besonders um Maia gekümmert und ihr Interesse an Konstellationen und der den Männern vorbehaltenen Kunst der Navigation geweckt.
    Nicht, daß sie sich jemals richtig über das Leben, über Gefühle oder andere wichtige Dinge unterhalten hätten, wie das bei zwei Frauen selbstverständlich gewesen wäre. Dennoch dachte Maia gern an diese seltsame Freundschaft zurück, die nicht einmal Leie nachvollziehen konnte. Leider war der Funke in Bennetts alten Augen viel zu früh erloschen. Danach brachte er keine zusammenhängenden Geschichten mehr zustande, sondern verfiel immer öfter in düsteres Schweigen. Zwar schnitzte er weiterhin kunstvolle Flöten, aber er ließ sich nicht mehr herbei, auf ihnen zu spielen.
    Nun stützte sich der alte Mann also auf seinen Besen, und Maia beugte sich zu ihm herunter, um seinen wäßrigen Blick auf sich zu ziehen. Vielleicht nahm Maia dies aufgrund ihrer lebhaften Phantasie verstärkt wahr, aber in ihren Augen hatte sein Gesicht einen Ausdruck aktiver Leere angenommen, eines ängstlichen, gezwungenen Rückzugs vor der Welt. Passierte das immer bei Männern, die nicht mehr zur See fahren konnten? Oder hatten die Lamai-Mütter etwas mit ihm angestellt, was lästige Verhaltensweisen ausmerzte und sicherstellte, daß er sich endgültig ›im Ruhestand‹ befand? Das alles machte Maia neugierig auf die legendären Reservate, zu denen nur wenige Frauen Zugang hatten und in die sich die meisten Männer zum Sterben zurückzogen.
    Vor zwei Jahreszeiten hatte Maia versucht, Bennett noch einmal aus seinem Dämmerzustand herauszureißen. Sie hatte ihn an der Hand genommen und die schmale Wendeltreppe zu der kleinen Kuppel hinaufgeführt, in der das Spiegelteleskop des Clans untergebracht war. Der Anblick des glänzenden Instruments, mit dem sie noch vor wenigen Monaten gemeinsam Stunde um Stunde den Himmel beobachtet hatten, schien den alten Mann zu freuen. Seine schwielige Hand streichelte das Metall mit sinnlicher Zuneigung.
    Damals hatte Maia ihm das Outsider-Schiff gezeigt, das erst kurz davor am Himmel von Stratos erschienen war. Überall wurde darüber geredet, sogar in den streng zensierten Telesendungen. Gewiß hatte Bennett doch von diesem Boten gehört, dem ›Peripatetiker‹, der so weit durch den Weltraum gereist war, um die lange Trennung zwischen Stratos und dem Menschenphylum zu beenden?
    Allem Anschein nach wußte er jedoch nichts davon. In seiner Verwirrung hielt er das Schiff erst für einen der blinkenden Navigationssatelliten, die den Kapitänen halfen, sich auf dem Meer zu orientieren. Schließlich jedoch begriff er Maias Erklärung – daß das helle Leuchten tatsächlich ein Raumschiff war.
    »Gelee-Kann!« hatte er plötzlich hervorgestoßen. »Bie-Kann, Gelee-Kann!«
    »Bie-Kann? Meinst du vielleicht Beacon? Einen Leuchtturm?« Maia deutete zu dem Turm im Hafen von Port Sanger, dessen Lichtstrahl über die Bucht blitzte. Aber der alte Mann schüttelte betrübt den Kopf. »Former!… Gelee-Kann Former!« Es folgten noch mehrere Sätze in dem verschwommenen, unsinnigen Männerdialekt. Offensichtlich war sein Verstand durcheinander, so daß ihm noch wichtige Gedanken kamen, er sie aber nicht mehr sinnvoll zusammenfügen konnte. Zu Maias Entsetzen begann Bennett sich nun auch noch mit den Händen auf die Schläfen zu schlagen. Er wollte nicht aufhören, und die Tränen strömten ihm übers Gesicht. »Kann mich nicht erinnern… kann nicht!« stöhnte er. »Former… ist weg… kann nicht…«
    Der Anfall dauerte an, und Maia führte den alten Mann die Treppe hinab zu seiner kleinen Hütte. Dort setzte sie sich neben ihn und sah ihm zu, wie er weiter um sich schlug, monoton vor sich hinbrabbelte, er müsse etwas ›schützen‹, und von Drachen am Himmel faselte. Damals konnte sich Maia nur einen einzigen ›Drachen‹ vorstellen, eine bedrohliche Figur, die im Tempel über dem Altar eingeschnitzt war und die sie als Kind in Angst und Schrecken versetzt hatte, obgleich die Matronen das Untier als allegorisch bezeichneten, womit sie meinten, es sei ein Symbol für den Muttergeist des
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