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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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gefragt.
    »Krieg ist unzivilisiert, das weißt du doch«, hatte er geantwortet. »Kämpfen ist Gewaltanwendung, und das ist etwas Primitives und Rohes. Man überläßt so etwas den Söldnern. Und außerdem ist es in Kendra-im-Delta verboten, scharfe Klingen zu tragen.«
    Aber die Kriegerrollen tanzte er gut genug. Sorren trommelte einen Rhythmus auf ihre Schenkel. »Soll ich für ihn spielen?«
    »Ja.«
    »Wir haben nicht proben können.«
    »Das wird keine Rolle spielen. Nehmt irgendwas, das ihr beide gut kennt. Irgendwas.«
    Seit vielen Jahren hatte Sorren für Isak die Trommel geschlagen; im ersten Jahr nur bei kleinen Gesellschaften, aber im darauffolgenden schon bei den großen Festen: dem Erntefest, der Frühlingsfeier, den Feiern am Tage der Stadtgründung. »Ich nehme an ...«
    »Es spielt wirklich keine Rolle. Es ist ihm gleich, was er tanzt, wenn er nur in die Nähe der Versammlung kommen kann.«
    Isaks politischer Ehrgeiz und die Verachtung, die Arré dafür hegte, waren in ihrem Haus kein Geheimnis. Aber das ist nicht gerecht, dachte Sorren. Isak liegt viel an seinem Tanz. Sie hatte ihm stundenlang beim Training zugeschaut, hatte gesehen, wie ihm der Schweiß in Strömen vom Körper troff und wie seine Lungen nach Luft keuchten, wo doch ein jeder andere, weniger disziplinierte Mensch längst abgebrochen haben würde, um zu ruhen, sich Wasser über den Kopf zu schütten, oder sonst etwas. Seine Muskeln waren so fest wie die Paxes, glatt, langgestreckt, und er bewegte sich mit ebensolcher Sparsamkeit, nur mit viel mehr Anmut.
    »Worüber denkst du nach?« fragte Arré.
    Sorren errötete. Sie wollte das von Paxe nicht sagen; es erschien ihr als zu derb. »Über Anmut«, sagte sie.
    Arré Med lachte. »Mach dir da keine Gedanken«, sagte sie. Sie war eine kleine Frau, von ähnlichem Körperbau wie Isak. Obschon der Hocker, auf dem Sorren saß, niedriger war als ihr Sessel, trafen sich ihre Augen auf gleicher Höhe, wenn Sorren sich reckte. »Du brauchst dich nicht zu bemühen, graziös zu sein, Kind. Die Leute bemerken dich trotzdem.«
    Sorren sagte: »Das kommt, weil ich groß bin und bleich.« Sie runzelte die Stirn, als sie an ihre helle Haut dachte. Selbst unter der heißesten Sonne weigerte sich ihre Haut, sich zu bräunen; statt dessen verwandelte sie sich in ein häßliches, schmerzhaftes Rot. Sie berührte ihr Haar, das lang war und von der weißgoldenen Farbe des Weizens. »Ich wäre viel lieber dunkel. So wie Paxe.«
    »Dunkel ist jetzt Mode«, sagte Arré. »Aber sei nie betrübt wegen deiner Größe. Wir Zwerge müssen uns was anderes ausdenken, um die Leute auf uns aufmerksam zu machen. Denk an Isak!«
    Das stimmte, die Leute bemerkten Isak immer. Und wenn sie es nicht von selbst taten, dann brachte er sie dazu. Er konnte machen, daß sich in einer Menschenmenge die Köpfe nach ihm reckten, schneller und leichter als irgendwer sonst. Aber die Leute nahmen auch Arré immer zur Kenntnis.
    »Wirst du etwas Neues zum Anziehen brauchen?«
    »Was?«
    »Wenn du bei der Ratsversammlung für Isak spielst.« Arré klopfte auf die Armlehne. »Gib doch Obacht, Kind!«
    »Verzeih.« So gemahnt, streifte sie den Geldreif vom Arm und hielt ihn der älteren Frau hin. Arré nahm ihn, ihre Finger zählten automatisch die verbliebenen Muschelmünzen ab. »Nein, ich habe genug Kleider.«
    »Wenn du gern was haben möchtest, dann sag's nur.« Sie grinste wie ein Gassenjunge bei einem Straßenkampf. »Isak wird dafür berappen.«
    Ein leises Klopfen war am Wandschirm zu hören. Sie blickte sich um. Lalith stand unter der Tür. Sie war dreizehn, klein und geschmeidig und braunhäutig. Arré hatte sie sich aus den Weingärten geholt, genau wie seinerzeit Sorren, und sie ins Haus genommen, damit sie hier lebe und arbeite. »Der Koch schickt mich, dir das da zu bringen«, sagte das Kind und reichte ihr eine Schale.
    »Schön«, sagte Arré, »gib her! Was ist es denn?« Lalith reichte ihr die Schale. Es waren Beeren, über die süßer Rahm gegossen war. Arré war bekannt für ihre Gier nach Süßem. »Ich dank dir, mein Kind.«
    »Und das da ist gekommen.« Lalith hielt ein Schreiben in die Höhe. Das wächserne Siegel trug ein Wappen.
    Arré brach das Siegel auf, überflog das Geschriebene, und die Brauen über ihren dunklen Augen zogen sich zusammen. »Wann ist das gekommen?« fragte sie.
    »Gerade eben. Ein Diener hat es gebracht.« Lalith verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
    »Pah!« brummte Arré
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