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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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strich Sorren über die Brüste.
    »Ich weiß, warum ich dich liebe«, sagte sie. »Du bist die einzige Frau in weitem Umkreis, die fast so groß ist wie ich.«
    Vor dem Haus begann eine Frauenstimme zu singen. »Bei Tage muß ich gehn, mein Schatz, noch lacht der Sterne Schein – Im Mondlicht, weiß und schön, mein Schatz, ach laß mich zu dir ein ...«
    Sorren stimmte in den Refrain ein. »Singt he und juhei für ein liebend Paar. Singt he für die müde Sonn. Singt he für die Maid, die mein Herz erfreut, wenn die Ernte ist getan!«
    Seufzend bog Paxe ihren langen Leib in die Höhe und wälzte sich über Sorren. »Du kannst nicht singen, weißt du?« Sie senkte den Kopf, ihre Lippen berührten einander, dann ihre Zungen.
    Als sie sich voneinander gelöst hatten, sagte Sorren: »Ich weiß es. Deshalb spiele ich ja die Trommeln.« Sie wand sich unter Paxes schwerem Leib. »Geh weg!«
    »Warum?«
    »Ich muß zum Haus zurück.«
    Paxe zog eine Schnute. »Dann muß ich ja wohl.« Sie rollte sich auf die Seite. Sorren setzte sich auf und griff nach ihren Kleidern. Während sie sich die Hosen anzog, überkam sie wieder jene Vision von den Bergen. Sie war ein Vogel (jedoch ohne bestimmbare Form, ohne Gewicht) und schwebte über die Steppe. Sie nahm den Geruch der Nordluft wahr, dünn und sauber und knochentrocken; sie schmeckte sie, spürte, wie ihre Lungen sie in sich pumpten. Die Sonne brannte heiß. Unter ihr drangen die Berge herauf: braun und grün und weiß. Das Weiße waren Schafe. Sie grasten geruhsam über die Weide, und Mädchen mit Stöcken bewachten sie. Ein Fluß, blau wie ein Seidenband, fädelte sich eine Bahn auf ein Tal zu. Jenseits des Flusses standen die Berge. Und inmitten der Berge, in einer Kluft, schob ein Burgfried seine graue Spitze in den Himmel.
     
    Sie fand in die Gegenwart zurück und sah Paxe an ihrer Seite sitzen, die Brauen zusammengezogen. Sie hob die Handflächen zu dem dunklen Gesicht ihrer Geliebten. »Ich bin zurück.«
    Paxe seufzte. »Wohin bist du denn diesesmal gegangen?«
    »Wo ich immer hingehe«, sagte Sorren. »In die Berge.«
    Sie war dreizehn Jahre alt gewesen und hatte auf einem Karren gesessen, der aus den Weingärten heimfuhr. Die kärglichen Besitztümer ihrer Mutter lagen verstreut in ihrem Schoß. Da bemächtigte sich ihrer die Vision zum erstenmal. Sie war viel zu betäubt, um Furcht zu empfinden. Doch als die Visionen immer wiederkehrten, begann sie in der Stadt herumzufragen, und sie fand heraus, daß diese Fähigkeit, im Geiste an andere Orte zu reisen, einen Namen hatte. Fernreisen, nannten sie es, und Menschen, die diese Gabe überkam, wurden ohne Umschweife zu Mitgliedern des Weißen Clans bestimmt und mußten, welches auch ihr Rang und ihre Stellung sein mochten, ihr Leben aufgeben und in den Tanjo ziehen, um dort dem chea zu dienen ...
    Die Aufgabe war ehrenvoll, und der Titel »Hexer«, den man ihnen verlieh, war gleichfalls ehrenvoll. Aber Sorren wollte beides nicht. Die Hexenkünstler versetzten sie in Angst und Schrecken. Also schwieg Sorren hartnäckig und behielt ihre Begabung für sich. Der einzige Mensch, zu dem sie genug Vertrauen aufbrachte, um darüber zu sprechen, war Paxe.
    Paxe sagte damals, als Sorren ihr von diesem Talent erzählte: »Du solltest in den Tanjo gehen.«
    »Aber ich will nicht«, hatte Sorren geantwortet. Und Paxe hatte dies gelten lassen. Arré Med, das wußte Sorren, wäre niemals damit einverstanden gewesen; die verlangte es viel zu sehr nach Macht und Einfluß, als daß sie hätte begreifen können, warum jemand dies nicht wünschen mochte.
    »Aber vielleicht wirst du es eines Tages wollen«, hatte Paxe gesagt. Und Sorren hatte genickt, obwohl sie es bezweifelte. Das Hexenvolk lebte im Tanjo und unterhielt nur Beziehungen zu seinesgleichen. Und Sorren, die an das aufregende Gewühl auf den Märkten gewöhnt war, erschien dies als ein allzu enges und beschränktes Leben.
    Außerdem würde man sie im Tanjo gar nicht annehmen wollen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ja nur einen einzigen Ort. Sie sah die Berge, und nur die Berge. Im Frühling, wenn der blaue Fluß die steilen Hänge hinabsprang wie ein freigesetzter Hase, und im Sommer; sie sah die Berge im Herbst, wenn die Regen die Täler zu Marschland verwandelten; sie sah die Berge im Winter. Immer war es die gleiche Szenerie: die Felder, der Fluß und die Burg mit ihrem einen hohen Wachtturm. Im Winter glitzerte der Burgfried von Eis. Es mußte ein wirklich existierender
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