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Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)

Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)

Titel: Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)
Autoren: Kevin Hearne
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erwartet uns im Jenseits ein ziemlich glückliches Leben, und es bietet sich sogar die Möglichkeit einer ein- oder mehrmaligen Rückkehr auf die Erde. Da die Seele unsterblich ist, betrachtet man auch das Ansetzen eines todbringenden Messers hier und da als kein großes Drama. Trotzdem, mir persönlich sind diese ganzen Opferungsriten immer fremd geblieben. Es gibt weitaus sauberere und auch zuverlässigere Methoden, der Zukunft unter den Rock zu spähen. Druiden wie ich verwenden dazu zwanzig Holzstäbe in einem Beutel, jeder mit einem altirischen Ogham-Schriftzeichen versehen, das je einen der zwanzig in Irland heimischen Bäume symbolisiert, alle mit einem Reichtum an prophetischen Bedeutungen. Ähnlich wie beim Tarot werdendiese Stäbe unterschiedlich interpretiert, je nachdem, in welche Richtung sie vom Wahrsagenden aus fallen; es gibt eine Reihe positiver Bedeutungen, wenn sie mit dem Schriftzeichen nach oben liegen, und eine Reihe negativer, wenn sie nach unten weisen. Ohne hinzusehen zieht der Wahrsagende fünf Stäbchen aus dem Beutel, wirft sie vor sich auf den Boden und versucht dann, die Botschaft zu deuten, die sich in ihrer Anordnung offenbart. »Und wie sind sie gefallen?«, fragte ich die MORRIGAN .
    »Vier fielen mit dem Symbol nach unten«, verkündete sie und machte eine Pause, um es wirken zu lassen. Das verhieß keine wirklich glückliche Zeit.
    »Verstehe. Und welche Bäume haben zu dir gesprochen?«
    Die MORRIGAN bedachte mich mit einem Blick, als müsste ich bei ihren nächsten Worten in Ohnmacht fallen wie eine zu eng ins Korsett geschnürte Jane-Austen-Figur. »Fearn. Tinne. Ngetal. Ura. Idho.«
    Erle, Stechpalme, Schilfrohr, Heidekraut und Eibe. Der erste Baum stand für einen Krieger, und damit war er der eindeutigste und zugleich der unbestimmteste. Alle übrigen deuteten an, dass über besagten Krieger, wer auch immer er sein mochte, ein ziemlich übles Missgeschick hereinbrechen würde. Stechpalme kündete von Herausforderungen und harten Prüfungen, Schilfrohr stand für Angst und Schrecken, Heidekraut warnte vor bösen Überraschungen und Eibe prophezeite Tod.
    »Aha«, sagte ich so unbekümmert wie möglich. »Und wie genau fielen Erle und Eibe in Beziehung zueinander?«
    »Eibe kreuzte Erle.«
    Nun, das war ziemlich unmissverständlich. Der Krieger würde sterben. Er würde von seinem Schicksal überrascht und in Angst und Schrecken versetzt, er würde sich verzweifelt dagegen aufbäumen, aber sein Tod war unabwendbar. Die MORRIGAN bemerkte, dass ich dem Orakel glaubte, und fragte: »Also, wo wirst du hingehen?«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
    »Es gibt noch weitaus abgelegenere Orte als die Mojave-Wüste«, schlug sie vor, wobei sie den Namen leicht betonte. Offensichtlich wollte sie mich mit ihren Kenntnissen amerikanischer Geographie beeindrucken, nachdem sie vorhin die Sache mit dem Irak vermasselt hatte. Ich fragte mich, ob sie wohl von der Auflösung Jugoslawiens wusste, oder ob ihr bekannt war, dass Transsylvanien inzwischen zu Rumänien gehörte. Unsterbliche schenken aktuellen Ereignissen nicht immer die nötige Beachtung.
    »Ich wollte damit sagen, MORRIGAN , dass ich noch nicht entschieden habe, ob ich überhaupt weggehe.«
    Die Krähe auf der Ganesha-Statue sagte nichts, aber für einen kurzen Moment glühten ihre Augen rot, was mich zugegebenermaßen ein wenig beunruhigte. Sie war nicht wirklich meine Freundin. Eines Tages – und es konnte heute sein – würde sie beschließen, dass ich bereits viel zu lange gelebt hatte und viel zu selbstherrlich geworden war, und das wäre dann das Aus für mich.
    »Gib mir einfach ein paar Minuten, um die Prophezeiung zu überdenken«, sagte ich und bemerkte sofort, dass ich meine Worte sorgfältiger hätte wählen sollen.
    Die roten Augen waren wieder da und die Stimme der Krähe klang jetzt deutlich tiefer, mit unangenehm dissonanten Tönen darin, bei denen sich meine Nackenhaare aufstellten. »Du willst deine Wahrsagekünste also über meine stellen?«
    »Nein, nein«, beeilte ich mich zu versichern. »Ich versuche lediglich, deine Schlussfolgerungen nachzuvollziehen, das ist alles. Also, ich denke nur mal laut, in Ordnung? Dieser Erlenstab – der Krieger –, das muss doch nicht notwendigerweise ich sein, oder?«
    Die roten Augen nahmen wieder ein natürlicheres Schwarz an und die MORRIGAN verlagerte ungeduldig ihr Gewicht voneinem Bein aufs andere. »Natürlich nicht«, antwortete sie mit ihrer normalen Stimme.
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