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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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davon überzeugt zu haben, dass er weiter zuverlässig von vier Männern gehalten wurde), ergriff den Saif mit beiden Händen und ging in eine stabile Abwehrhaltung, bewegte sich aber keinen Fingerbreit in seine Richtung.
    Auch Andrej packte sein Schwert mit beiden Händen - allerdings nur, um sich daran in die Höhe zu stemmen.
    Süleymans Gestalt verschwamm leicht vor seinen Augen, und Schwäche flutete in Wellen durch seine Glieder, die dem mühsamen Takt seines Herzens folgten. Jede Welle war ein winziges bisschen schwächer als die vorherige, und in den Pausen dazwischen konnte er spüren, wie seine Kraft zurückkehrte, schnell, aber nicht schnell genug. Süleyman sah ihn weiter ebenso spöttisch herausfordernd wie lauernd an, und plötzlich wurde ihm klar, dass er ganz genau um die Wirkung des Giftes wusste, das in seinen Adern wütete.
    Langsam schüttelte er den Kopf. Er hätte den Schwertgriff losgelassen, wäre er ganz sicher gewesen, dann nicht zu stürzen. »Nein.«
    »Nein – was?«, fragte Süleyman.
    »Du musst mich schon umbringen«, sagte Andrej. »Ich werde dir nicht die Genugtuung gönnen, mich besiegt zu haben.«
    Süleyman seufzte enttäuscht. »Und ich fürchte, das meinst du ernst.« Und damit riss er den Saif hoch über den Kopf und sprang auf Andrej zu, um ihn zu enthaupten.
    Wie in einer blitzartigen Impression sah Andrej, wie die Mündungsflamme an Abu Duns Ohr und Wange vorbeistrich und eine hässliche Brandspur darauf hinterließ, doch den gequälten Aufschrei des Nubiers hörte er kaum noch. Neben ihm brüllte Süleyman, ein Schrei voller Zorn und Schmerz, der binnen eines einzigen Augenblicks in einen Laut so unvorstellbaren Entsetzens überging, wie Andrej ihn noch nie aus der Kehle eines lebenden Menschen gehört hatte. Alle Schwäche war vergessen, und als er sich mühsam herumdrehte und Süleyman sah, für den Moment selbst die Angst um Abu Dun.
    Süleyman lag auf dem Rücken, und was ihn von den Füßen gerissen hatte, hockte auf seiner Brust und drosch mit Fäusten und dolchscharfen Fingernägeln auf ihn ein: ein Ungeheuer, das aus dem schlimmsten aller Albträume erwacht zu sein schien. Ihr Haar flog und knisterte, als wäre es elektrisch geladen, und ihr Gesicht war zu einer Fratze geworden, die umso erschreckender war, weil unter dem Wahnsinn noch immer eine Spur ihrer ehemaligen Schönheit zu erahnen war. Mund und Kinn waren voller Blut und die Zähne rot gefärbt. Das Allerschlimmste waren ihre Augen. Es waren nicht mehr die eines Menschen. Sie waren schwarz, vollkommen, wie lichtlose Abgründe, in denen ein verzehrendes Feuer aus schwarzen Flammen loderte, die kälter waren als die Hölle. Andrej hatte Angst gehabt, ein Monster zu erschaffen, doch ein einziger Blick in diese grässlichen Augen machte ihm klar, dass sie etwas viel Schlimmeres getan hatten. Andrej konnte nicht sagen, was, und er wollte es auch gar nicht, als hätte etwas in ihm Angst, sich schon allein durch dieses Wissen zu besudeln.
    Murida schien seinen Blick gespürt zu haben, denn sie ließ von ihrem Vater ab und drehte mit einem Ruck den Kopf. In ihrem dunklen Blick las er rasende Gier und den unstillbaren Zorn eines Raubtiers, das seinen lange gesuchten Todfeind entdeckt hat und sich nun bereit macht, sich auf ihn zu stürzen und ihn zu zerreißen. Ihre Hand, mit zu Klauen gekrümmten Fingern schon zum tödlichen Hieb auf Süleymans Augen erhoben, zuckte herum und schlug nun nach Andrej. Schwach, wie er war, hatte er keine Chance, ihrem Angriff auszuweichen oder ihn gar abzuwehren. Er versuchte es trotzdem und spürte selbst, wie erbärmlich langsam er war, doch Süleyman nutzte den winzigen Moment, den Murida abgelenkt gewesen war, um sich unter ihr aufzubäumen und sie mit einer verzweifelten Bewegung von sich herunterzustoßen. Wenigstens versuchte er es.
    Vielleicht war der Schock einfach zu groß, oder er war verletzt. Vielleicht war er auch trotz allem nicht nur der größenwahnsinnige Tyrann und Mörder, sondern immer noch Vater. Gleichwie: Statt ihr die geballte Faust ins Gesicht zu schmettern, änderte er seinen Angriff im allerletzten Moment und hieb ihr nur den Handballen vor die Schulter. Das Ungeheuer hatte noch immer die Hülle einer kaum hundert Pfund schweren jungen Frau, sodass der Schlag sie zurück- und ein Stück weit in die Höhe riss. Süleyman bäumte sich noch weiter auf und schleuderte sie endgültig von sich herunter. »Packt sie!«, brüllte er. »Haltet sie fest!«
    Zwei
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