Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
schönen Gesicht unter dem bunten Kopftuch galt. Die Frau war jung, vielleicht seine Enkelin … aber dennoch – wie konnte sie zusehen, wie ersieh etwas so Schreckliches antat?
    Die Frau fuhr fort: »Und jetzt seht, wie Allah es denen dankt, die wirklich fest im Glauben zu ihm sind!« Bei den letzten Worten hatte sie die Stimme leicht erhoben, und nun deutete sie mit dramatischer Geste auf die brennende Gestalt. Sie war gut in dem, was sie tat, das musste Andrej gestehen. Und sie tat es ganz bestimmt auch nicht zum ersten Mal, und -Er war nicht der Einzige, dem ein erstaunter Laut entfuhr, als sich der lodernde Mann unbeholfen in die Höhe stemmte und die Arme hob, den Kopf in den Nacken gelegt und die Hände zu Krallen geformt, wie um sie in den Himmel zu schlagen. Die Flammen hüllten ihn nun zur Gänze ein, sodass er zu einer lebenden Feuersäule wurde. Seine Stimme wurde lauter, aber er schrie noch immer nicht vor Schmerz, sondern brüllte abwechselnd den Namen Allahs und ein anderes Wort, das Andrej nicht verstand.
    »Lass uns verschwinden«, sagte er noch einmal. »Sofort«, sagte Abu Dun, rührte sich aber nicht. Die junge Frau fuhr fort, das schrille Salbadern ihres angeblichen Vaters mühelos mit einer Stimme übertönend, die vor Ehrfurcht bebte: »Seht, wie der einzige und wahre Gott seine Kinder beschützt, und hört das Wort des Machdi, der seinen Willen verkündet!«
    Der Alte reckte die Arme noch weiter in die Höhe und schrie nun ebenfalls: »Machdi!«, wobei Flammen und schwarzer Rauch aus seinem Mund schossen, so als spräche er das Wort mit Feuer. Abu Dun seufzte: »Ja, das war beeindruckend«, dann war er mit wenigen raschen Schritten bei ihm. Ohne das geringste Zögern ergriff er die lodernde Gestalt, strich mit den bloßen Händen an ihren Armen entlang und streifte das Feuer ab, das in zischenden weißen Strömen zwischen seinen Fingern hindurchfloss und brennende Pfützen zu seinen Füßen bildete. Schreie wurden ringsum laut, und der brennende Greis wollte sich losreißen, um zu fliehen, was Abu Dun jedoch nicht zuließ. Mit einer Hand hielt er ihn am Kragen fest, während er mit der anderen nun auch das Feuer von seinem Gesicht wischte.
    Vielleicht ging er dabei etwas zu grob zu Werke, denn das Gesicht des Alten löste sich dabei gleich mit. Abu Duns Hand streifte es von seinem Schädel wie eine Maske aus weichem Wachs, die noch immer brennend zu Boden tropfte. Und genau das war sie auch. Der Alte zappelte und kreischte immer lauter, doch Abu Duns Hand hielt ihn unerbittlich gepackt, während er ihm mit der anderen fast gelassen die Reste der brennenden Maske vom Gesicht wischte; dann benutzte er seinen Mantel, um ohne Hast auch noch die letzten der Flammen zu ersticken, die aus den Kleidern des Mannes schlugen, bis schließlich der vermeintliche Greis mit schwelenden Kleidern und erschrockenem Gesicht dastand, das nur hier und da von der Hitze leicht gerötet, aber ganz und gar keine Brandwunden aufwies – und im Übrigen auch nicht annähernd so alt war, wie es noch kurz zuvor den Anschein erweckt hatte.
    Für einen Moment kehrte vollkommene Stille ein. Selbst der angebliche Greis hörte auf zu kreischen und starrte den riesenhaften Nubier erschrocken an. Dann nickte Abu Dun ebenso übertrieben wie langsam und sagte: »Ja, das scheint mir wirklich ein Wunder zu sein … oder das Werk eines begnadeten Alchimisten, der ein ganz besonders kaltes Feuer erfunden hat, das nicht einmal deiner zarten Greisenhaut etwas antun kann.« Jemand lachte, wenn auch nur ganz kurz, und allmählich erhob sich ein unruhiges Murren und Raunen überall in der Menge. Andrej versuchte Abu Dun mit einem Blick zu bedeuten, dass es genug war und er den Alten jetzt loslassen sollte, doch der Nubier fuhr nur mit einem maliziösen Lächeln fort: »Du bist ein Betrüger, mein Freund. Einer von der schlimmsten Sorte, weißt du das? Du belügst die Leute nicht nur, du machst ihnen Angst. Und du verhöhnst ihren Glauben. Was soll ich jetzt nur mit dir machen? Vielleicht sollte ich dich ja tatsächlich in Brand setzen, damit du einmal spürst, wie es sich wirklich anfühlt, wenn man in Flammen steht.«
    »Lass ihn los«, sagte Andrej mit einer Kopfbewegung auf die Mauer finster dreinblickender Gesichter, die sie umgab. »Den Rest erledigen die da.« Abu Dun hielt den auf so wundersame Weise geheilten Mann am Kragen in die Höhe und schüttelte ihn so fest, dass seine Zähne aufeinanderschlugen, stellte sich dabei aber so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher