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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Pasionaria, und es erscheint ihm möglich: Wir stehen zusammen im Kampf, hatte sie zu ihm gesagt, kein Wort über Trotzki, Stalin, nicht einmal über die Regierung der Republik, nichts, das sie voneinander Abstand nehmen lassen könnte.
    Sosehr Mika sich bemüht, tapfer zu sein, am Vorabend des Kampfes ergreift dann doch die Panik von ihr Besitz. Sie massiert gerade Hipólitos geschundene Füße, als sie einen Vorwand braucht, um schnell aufzustehen, warte kurz, sagt sie, sie muss ein feuchtes Tuch holen, damit er nichts mitbekommt, sie hält es sich ans Gesicht, die Kühle soll ihr Linderung bringen. Als sie zu ihm zurückkommt, sind seine Augen zu, zum Glück sieht er sie nicht. Mika möchte ihn so gern noch ein weiteres Mal bitten, dass er sich nicht töten lassen darf, ihm sagen, dass er unverzichtbar ist, der Wichtigste von allen. Aber das wird sie nicht tun, sie streichelt ihn nur zärtlich, will ihn auf keinen Fall verstören, schiebt eine Matratze in seine Nähe und legt sich zu ihm. Ganz nah. Und so weit weg.
    Hipólito hat die Augen geschlossen, aber er spürt, wie bedrückt sie ist, neben ihm zusammengekauert, diese furchtbare Angst, die Mikas Herz zum Klopfen bringt, er möchte sie in den Arm nehmen, sie trösten, aber das bringt nichts. Anders als er tut sie sich schwer, sich umzustellen. Hipólito muss ihr dabei helfen, sie muss diesen Krieg annehmen, ihn zu ihrem eigenen machen. So schnell wie möglich. Für den Kampf und sie selbst.
    Er ist sich sicher, dass Mika diese Wandlung vollziehen wird. Stück für Stück. Oder auf einen Schlag.
    Die schwarzen Stiefel, die Hippo tragen wird, lassen sie erschaudern, ein böses Vorzeichen. Unsinn, seit wann ist sie abergläubisch. Das ist die Angst, die sie keine Sekunde loslässt. Er umarmt sie so fest, als wollte er sie nicht mehr hergeben: Gib mir deine Wärme, und wir werden diese Schlacht und alle anderen gewinnen.
    Er muss los, es ist eins, und sie müssen vor Morgengrauen in Atienza ankommen. Sie werden die Burg einnehmen, wie sie es sich vorgenommen haben, verspricht er ihr. Mika geht eine paar Schritte mit ihm mit und flüstert ihm zu: Lass dich nicht töten. Hipólito streckt seine Hand aus und streicht ihr über die Wange, sieht sie lange an: Leide nicht, Liebste, er vertraut seinem guten Stern, und dass auch sie auf sich aufpasst, sich immer in der Nähe des Arztes aufhält und Acht gibt, dass die jungen Frauen hinten bleiben. Ein Kuss noch, wir sehen uns gleich wieder.
    Gleich. Tatsächlich. Welche Freude. Bei einer Rast unterwegs geht Hipólito zu Mika, in seinem langen schwarzen Mantel, die seitlich sitzende Kappe, leuchtende Augen. Ein kurzer Besuch, nur ein Kuss, er muss Treibstoff nachfüllen. Und ihr sagen, wie sehr er sie liebt.
    »Pass auf dich auf.«
    »Hab keine Angst«, lacht Hippo. » Questo e ferro .«
    Den Satz hat er immer zu ihr gesagt, wenn sie ihn im Sanatorium besuchen kam. Hoffentlich.
    Hinter dem Hügel Atienza, dieser mittelalterliche, unter der Burg hingegossene Marktflecken. Es ist schon Tag, der Arzt, Emma und Mika haben ihr Erste-Hilfe-Zelt aufgebaut. Sie denkt an Hippo, wie er auf das Dorf zurückt, hinter ihm seine Männer, mit schlagkräftigen Granaten ausgestattet. Sie werden die Burg einnehmen, koste es, was es wolle. Das hat er ihr versprochen.
    Die Sonne steigt, die Schüsse nehmen zu und auch das Rattern der Maschinengewehre. Emma und Mika sehen sich an, in den Augen des Mädchens glüht die Angst. Stille. Ausgedehnte Stille. Alles scheint still zu stehen. Emma nähert sich Mika und kauert sich an sie. Sie zittert. In der Ferne die Gestalt eines Mannes, der auf sie zu rennt. Es ist Quintín. Und hinter ihm noch andere.
    Er weint, sein Gesicht ist tränenüberströmt: was für ein Unglück, mein Gott, was für ein schreckliches Unglück. Quintín stellt sich vor Mika hin: Sie haben ihn getötet.
    Was sagt er, sie versteht nicht: Sie haben deinen Mann getötet.
    Mika hört es, ohne es zu begreifen. Er ist tot, sagt Quintín, und der Maño kommt mit roten Augen zu ihr und umarmt sie: Sie haben Hipólito getötet, es tut mir so leid. Hinter ihm, Carmen und Rolo, und Emma, die wimmert.
    Sie haben ihn getötet? Hippo ist tot? Brennen in ihrem Gesicht, und etwas Gewaltiges und Scharfes, Eisiges, gräbt sich in ihren Körper. Tot. Hippo ist tot. Ein Sprung in die Leere. Ein gewaltiges Nichts. Irgendwer stammelt eine Erklärung: ein Geschoss, ein Geschoss ist explodiert. Er hat nicht gelitten, versichert eine andere Stimme.
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