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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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dich«, sagte López und legte ihr das glänzende Gewehr in die Arme. »Du wirst schon noch deinen Widerwillen ablegen, deine Einstellung ändern. Lern, damit umzugehen, und du wirst dich nicht mehr von ihm trennen.«
    Sie trennt sich nicht mehr von ihm. Sie hat schießen gelernt.
    Meine Eltern haben einen Aufschrei des Entsetzens losgelassen, als ich ihnen verkündet habe, dass ich an die Front gehe: Bist du verrückt geworden, Emma? Auf gar keinen Fall, nie im Leben würden sie mir das erlauben. Seit zwei Jahren, seit ich vierzehn war, hatte ich bei derselben Familie, bei der meine Mutter Hausangestellte ist, auf die Kinder aufgepasst. Um den Reichen zu dienen, um mich ausbeuten zu lassen, war ich alt genug, aber sobald es um Entscheidungen und eigenständiges Denken ging, behandelten sie mich wie ein Kind. Dabei war ich längst bei der Kommunistischen Linken, die sich später mit der Arbeiterbewegung Bloc Obrer i Camperol zusammenschloss, als Vorstufe des POUM, und hatte klare Vorstellungen. Ich bin von zu Hause ausgerissen. So wie Abisinia, Carmen und María de las Mercedes. Wir sind sehr jung, alle unter zwanzig.
    Die Anführerin nicht, sie ist älter, schon über dreißig.
    »Ich bin nicht eure Anführerin«, hat Mika vor kurzem zu mir gesagt.
    Aber das ist sie, denn sie hat das Sagen. Vielleicht hat niemand sie zur Anführerin ernannt, aber sie war es, die zum Kommandanten gegangen ist und von ihm gefordert hat, entweder Verstärkung zu schicken oder die Stadt zu evakuieren, hat mir Deolindo erzählt, der überall seine Nase reinsteckt und es aufgeschnappt hat. Doch der Kommandant hat ihr genauso wenig Beachtung geschenkt wie den anderen Anführern: wir sollen auf unseren Stellungen bleiben, Widerstand leisten. Mika trifft sich auch mit den Anführern der anderen Organisationen und beredet anschließend die Lage mit uns, und sie, eine Frau und Ausländerin, ist es auch, die wenn nötig in unserer Kolonne des POUM ein klares Wort spricht.
    Sie hat eine ganz besondere Art, die jeden entwaffnet: Alles, was sie lernt, gibt sie sofort an uns weiter, sie bringt uns Decken und heiße Schokolade, zündet an einem trostlosen Ort Fackeln an. Sie spricht Wahrheiten aus, die wie ein Faustschlag sitzen, so dass niemand zu widersprechen wagt. Und dann ihre Befehle. Ohne zu schreien. Auch wenn es einigen nicht schmeckt, dass Mika alles in die Hand nimmt, überall muss sie sich einmischen, werfen sie ihr vor, warum sollen sie sich von einer Fremden etwas vorschreiben lassen, aber in Wahrheit stört sie nicht ihre Herkunft, sondern dass sie eine Frau ist, da können sie mir nichts vormachen. Zum Glück sind es wenige. Und sie sind wie wir alle nervös, weil sie nicht kämpfen dürfen.
    Seit dem Luftangriff der Faschisten, der mir schreckliche Angst gemacht hat, gibt es kaum Bewegung in der Stadt. So wie es aussieht, bereiten sie einen gewaltigen Schlag vor.
    Hoffentlich kommt die Verstärkung aus Madrid bald. Hier und da hört man, die Militärs sind Verräter, Hurensöhne, und dass sie uns in Sigüenza versauern lassen werden. Das glaube ich nicht, warum sollen sie uns so etwas antun. Bei dem Luftangriff sind ich weiß nicht wie viele umgekommen, Milizen und Zivilisten, ganze Familien haben sich in die Kathedrale geflüchtet, und seither werden die in der Umgegend kämpfenden Kameraden Stück für Stück in die Stadt zurückgedrängt. Es heißt, an einem der nächsten Tage wird es hier zur Schlacht kommen.
    Ich habe keine Angst mehr. Noch Tage nach der Schlacht um Atienza hatte ich Magenschmerzen, im ganzen Körper ein Gefühl der Beklommenheit. Ich war gar nicht mit auf dem Schlachtfeld, wie ich es gewollt hatte, sondern blieb zusammen mit dem Arzt und Mika in der Erste-Hilfe-Station. Es war schrecklich, zu sehen, wie sie ankamen, einige mit schwersten Verletzungen und noch schlimmeren Nachrichten: Tote über Tote.
    Jetzt bin ich besser vorbereitet. Ich weiß, wie man eine Bombe baut, und lerne bald, mit einem Gewehr zu schießen, so dass sie mich bei der nächsten Schlacht nicht in der Nachhut behalten werden.
    Ich werde kein Wort sagen, sie würden nur über mich lachen, abergläubisch, aber Marxistin sein wollen!, aber ich spüre, dass dieses Haus nahe dem Bahnhof von Sigüenza, in das wir umgezogen sind, uns für die kommende Schlacht Glück bringen wird. Wir werden den Krieg gewinnen, ich weiß es.
    Wir sind auch nicht allein hier an der Front. Da sind noch die Eisenbahner von der UGT , der vereinigten
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