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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige
Autoren: Oliver Pötzsch
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Herzog und seinem Vogt, die uns wie Vieh hungern und verrecken lassen!«, erklang plötzlich ein weiterer Schrei. »Tod allen Herrschern!«
    Stadtvogt Bernwart Gessler zuckte zusammen. Die Menschen brüllten und johlten, vereinzelt waren Hochrufe auf die drei Wilderer zu vernehmen. Unsicher sah Gessler sich um und versuchte den Rufer auszumachen, der da so offen zur Rebellion anstachelte.
    »Wer war das?«, schrie der Vogt entrüstet gegen den Lärm an. »Wer ist so frech, sich gegen den von Gott eingesetzten Herzog und seine Diener zu stellen?«
    Doch der Gesuchte war bereits wieder in der Menge un­tergetaucht, allerdings hatte Mathis noch einen kurzen Blick auf ihn erhaschen können. Es war der bucklige Schäfer-Jockel, der sich nun hinter eine Reihe Weiber duckte und von dort aus das weitere Geschehen beobachtete. Wieder einmal war seine Stimme eindringlich und auf eine seltsame Art aufrüttelnd gewesen. Mathis glaubte ein leises Lächeln auf Jockels Lippen zu sehen, dann versperrten ihm ein paar schimpfende Bauern die Sicht.
    »Weg mit dem verfluchten Zehnten!«, verlangte nun ein anderer Mann in seiner Nähe, ein dürrer Alter, der sich an einen Stock klammerte. »Der Bischof und der Herzog sind fett und feist, und ihr hängt hier Kinder, die nicht wissen, was sie essen sollen! Was ist das nur für eine Welt!«
    »Ruhig, bleibt ruhig, Leute!«, befahl der Vogt und hob herrisch die Hand. »Sonst hängen gleich noch ein paar mehr am Galgen. Wer tanzen will, braucht es nur zu sagen.« Er gab den Bütteln, die bislang hinter dem Schinderkarren gewartet hatten, einen Wink, und sie gingen mit Spießen drohend auf die Menge zu. »Wer allerdings brav wieder an seine Arbeit geht, dem wird nichts geschehen. Alles hier ist Gottes Wille!«
    Hier und da war noch lautes Schimpfen und Fluchen zu hören, das jedoch nach und nach verebbte. Der Sturm der Entrüstung war vorüber, Angst und Gewohnheit siegten wie so oft über den Zorn. Schließlich rumorte es nur noch leise, wie ein sanfter Wind, der über den Feldern weht. Der Stadtvogt straffte sich, dann gab er dem Henker das Zeichen.
    »Nun mach schon, damit es ein Ende hat.«
    Mit einer schnellen Handbewegung zog der Scharfrichter die Leiter unter den Beinen des Jungen weg. Der Knabe zuckte und zappelte, die Augen quollen hervor wie große Murmeln, doch sein Todeskampf war nur von kurzer Dauer. Schon nach einer knappen Minute hörten die Zuckungen auf, und der schmächtige Körper erschlaffte. So starr und leblos wirkte er nun noch kleiner und zerbrechlicher als zuvor.
    Immer noch murrend löste sich die Menge auf, verstohlen sprachen die Menschen miteinander, dann ging jeder wieder seiner Wege. Auch Mathis wandte sich ab. Er hatte genug gesehen. Traurig schulterte er den leeren Sack und eilte auf den Wald zu.
    Es gab etwas, das auf ihn wartete.
    ***
    »Nun mach schon, Parcival! Hol dir den Spitzbuben!«
    Agnes blickte hinauf zu ihrem Falken, der wie ein abgeschossener Pfeil auf die Krähe zuraste. Diese, ein alter, schon leicht zerzauster Vogel, hatte sich ein Stück zu weit von ihrem Schwarm entfernt, eine leichte Beute für den Sakerfalken. Die Krähe bemerkte den kleinen Jäger erst im letzten Augenblick und schlug einen Haken in der Luft, so dass der Falke an ihr vorbeischoss. Er flog einen weiten Bogen, gewann wieder an Höhe, um sich erneut auf die Krähe zu stürzen. Diesmal traf er sein Ziel besser. Wie ein Ball aus braunen und schwarzen Federn, Blut und Fleisch trudelten die beiden Vögel dem Feld entgegen; ein letztes Flattern, dann lag die Krähe tot zwischen den frostharten Lehmklumpen. In triumphierender Haltung hockte der Falke auf dem Kadaver und begann, ihn zu rupfen.
    »Gut gemacht, Parcival! Hier, dein Lohn!«
    Mit einem Hühnerbeinchen in der Hand näherte sich Agnes dem pickenden Falken, während ihr kleiner Dachshund Puck aufgeregt kläffend um die Vögel herumsprang. Parcival würdigte ihn keines Blickes. Nach kurzem Zögern flatterte der Sakerfalke hoch und landete auf dem dicken Lederhandschuh, den Agnes über der linken Hand trug. Zufrieden begann er, kleine Stücke Fleisch aus dem Hühnerschlegel herauszuzuhacken. Doch bereits nach kurzer Zeit steckte Agnes den Schlegel wieder weg, um das Tier nicht allzu sehr zu sättigen. Einmal mehr bewunderte sie Parcivals aufrechte Haltung und den stolzen Blick, der sie immer an die Augen eines alten, weisen Herrschers erinnerte. Seit zwei Jahren war der Falke nun ihr liebster Gefährte, manchmal wünschte
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