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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige
Autoren: Oliver Pötzsch
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einst das Herz des deutschen Reiches gewesen. Kaiser und Könige hatten hier ihre Burgen erbaut. Nun zeugten nur noch ein paar Lieder und solche von Moos bewachsenen Mauerreste von der einstigen Pracht dieses Landstrichs. Verträumt blieb Agnes stehen, und ein leiser Schauder durchfuhr sie. Nebelschwaden zogen über die Ruine hinweg, in der Luft lag ein merkwürdiger fauliger Geruch. Ihr war, als würde sie in eine längst vergangene Zeit blicken. Eine Zeit, die ihr vertrauter schien als ihre eigene und die doch so tot war wie die Steine ringsumher.
    Erneut erklang nicht weit entfernt das Lahnen ihres Falken. Verborgen hinter einem breiten Eichenstamm suchte Agnes mit Blicken die Lichtung ab und entdeckte den kleinen Vogel endlich auf dem Ast einer verkrüppelten Weide, die in den Ritzen der Ruine Wurzeln geschlagen hatte. Sie lachte befreit, und der magische Moment war vorüber.
    »Hier bist du also, du …«
    Agnes stockte, als plötzlich eine Gestalt auf der Lichtung stand. Offenbar war der Mann hinter einigen größeren Felsbrocken verborgen gewesen, doch nun trat er gebückt hervor. In den Händen hielt er eine Art großes Rohr, das er nun ächzend auf einen Stein legte.
    Agnes hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. War das etwa einer der Raubritter und Wegelagerer, von denen sie so viel gehört hatte? Doch dann bemerkte sie, dass ihr die Bewegungen des Mannes seltsam vertraut vorkamen. Als sie genauer hinblickte, erkannte sie nun auch den abgeschabten braunen Lederkittel, die rotblonden Haare und das feingeschnittene Gesicht.
    Ein Gesicht, das ihr nur allzu vertraut war.
    »Mein Gott, Mathis, wie kannst du mir nur so einen Heidenschreck einjagen!« Bebend vor Wut trat Agnes hinaus auf die Lichtung, während Puck fröhlich kläffend an dem jungen Mann emporsprang und ihm die Hand leckte.
    Mathis war nur ein knappes Jahr älter als Agnes. Er war großgewachsen, aber sehnig, mit breitem Kreuz und Muskelpaketen an den Oberarmen, die von der harten Arbeit am Amboss herrührten.
    »Hätt’ ich mir ja denken können, dass du hinter diesem teuflischen Knall steckst!«, sagte Agnes kopfschüttelnd. Ihr Zorn wich zunehmend der Erleichterung, dass es nun doch kein Räuber war, der ihr aufgelauert hatte. Schließlich konnte sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Wenn es nach Pech und Schwefel stinkt, dann ist der Trifelser Schmiedgeselle nicht weit, nicht wahr?« Sie deutete auf das beinahe mannslange Rohr, das neben Mathis auf dem Felsen lag. »Offenbar reicht es dir nicht, dass du deinen und meinen Vater damit zur Weißglut treibst. Jetzt musst du auch noch meinen Falken und sämtliche Tiere des Waldes zu Tode erschrecken. Schäm dich!«
    Mathis grinste und hob in einer Geste der Demut die Hände. »Hätte ich vielleicht oben auf der Burg zündeln sollen? Der Trifels mag ein gammliger Haufen Steine sein, aber deshalb muss man ihn ja nicht gleich in die Luft jagen.«
    »Die Burg meines Vaters ist kein gammliger Haufen Steine. Nimm dich in Acht, was du sagst, Mathis Wielenbach.«
    Agnes’ Stimme war jetzt leise und kühl, doch Mathis ließ sich davon nicht einschüchtern. Er überragte sie um beinahe einen ganzen Kopf, ihre Wut schien an ihm abzuprallen wie an einer Wand.
    »O Verzeihung, Exzellenz!« Er machte eine tiefe Verneigung. »Ich vergaß ganz, dass ich mit der Tochter des ehrwürdigen Burgvogts spreche. Darf ich mich überhaupt Euch nähern, Jungfer? Oder ist Euch das Sprechen mit einem ein­fachen, breimümmelnden Lehnsmann wie mir nicht gestattet?« Mathis zog eine dümmliche Miene, als wäre er so einfältig wie einer der wenigen Bauern, die noch zum Lehen der Erfensteins gehörten. Doch plötzlich wurde sein Blick düster.
    »Was hast du?«, fragte Agnes.
    Mathis holte tief Luft, bevor er schließlich leise antwortete: »Ich war vorhin drüben in Queichhambach. Da haben sie drei Wilderer gehängt. Einer von denen war nicht älter als ich.« Er schüttelte zornig den Kopf. »Es wird immer schlimmer, Agnes! Die Leute fressen die Frühsaat und die Spelzen, und wenn sie in ihrer Not im Wald jagen, dann landen sie am Galgen. Was sagt eigentlich dein Vater zu alldem?«
    »Mein Vater hat die Gesetze nicht gemacht, Mathis.«
    »Ja, er geht nur munter jagen, während andere dafür hängen müssen.«
    »Du meine Güte, Mathis!« Agnes funkelte ihn an. »Du weißt nur zu gut, dass mein Vater ohnehin schon beide Augen zudrückt, wenn er in seinen Wäldern unterwegs ist. Aber was in den
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