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Die BUNTE Story

Die BUNTE Story

Titel: Die BUNTE Story
Autoren: Hubert Burda
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sie werden dort »coder« genannt – fragte ich, wo er studiert habe und was er heute bei »Facebook« verdiene. Der knapp 22-Jährige antwortete prompt, er habe an der Harvard-Universität seinen Abschluss gemacht und bekomme ein Gehalt von 120000 Dollar im Jahr. Er fügte noch hinzu, in seiner Firma würden nur die besten Softwareschreiber arbeiten.
    Als ich, wie gesagt, im Jahr 1995 mit Bill Gates in Bonn zusammentraf, meinte er, Geld werde im Netz durch Werbung verdient. Mittlerweile wissen wir, die Erlöse aus Anzeigen und »advertising« sind an seiner Firma Microsoft verbeigeflossen und direkt an »Google« gegangen. Der Gigant unter den Suchmaschinenfirmen hat im ersten Halbjahr in Deutschland mehr Umsatz erzielt als die drei großen Zeitschriftenverlage zusammen.
    Die andere Erlösquelle, die im Netz eine Rolle spielen könnte, die »paid contents«, die journalistischen Inhalte, also Texte, Fotos, Videos, zu denen man nur per Bezahlung Zugang hat, muss immer noch mit großen Fragezeichen versehen werden. Nach jüngsten Zahlen werden nur 10 Prozent der kostenpflichtigen journalistischen Inhalte von Nutzern abgerufen.
    Einen Verlag auf die neue Lage seit der digitalen Revolution einzustellen, heißt, neue Erlösquellen zu finden. »Focus Online« zum Beispiel ist mit dem Portal »HolidayCheck« verbunden, das als Reiseveranstalter große Umsatzsteigerungen, aber auch Gewinne erzielt. Seine Beliebtheit besteht darin, dass Urlauber ihre gebuchten Hotels und deren Dienstleistung beurteilen und bei dem Portal veröffentlichen.
    Mit Stewart Brand kam Daniel Hillis zur DLD-Konferenz und stellte die Uhr »The Long Now« vor, die zehntausend Jahre läuft. Jeff Bezos hat sie gekauft und ihr einen erschütterungsfreien Platz auf seinem texanischen Anwesen gegeben.
    Die bei Burda erscheinende Computerzeitschrift »Chip« würde als reines Printprodukt nur rote Zahlen schreiben. Durch ihre Anbindung an zwei Internet-Firmen, die es möglich machen, per Klick PCs, Handys oder iPhones zu bestellen, konnte sie profitabel ausgebaut werden.
    Doch ist das wirklich neu? Als mein Großvater, technik- und fortschrittsverliebt, die erste Radiozeitung Deutschlands, »Sürag« 1927 auf den Markt brachte, verkaufte er wenige Jahre später zusammen mit den Abonnements Reisebuchungen und Versicherungspolicen. Meine Mutter sagte mir einmal, dieser Service-Teil habe immer mehr Erträge gebracht als die Radiozeitung selbst.

Epilog
    Wie alles begann? Ohne die zehn Jahre, die ich als Chefredakteur von »Bunte« erlebte, hätte ich niemals das richtige Gespür für den Umbruch im Mediengeschäft entwickeln können.
    Wie viele in diesem Geschäft kenne ich dessen Höhen und Tiefen. Im Jahr mussten 52 Titelgeschichten produziert werden. Neben erfolgreichen Titeln misslangen mir etliche. Ich schätzte Trends falsch ein und landete Flops. Was ich nicht vergessen kann, ist die spannungsgeladene Atmosphäre in einer kreativen Redaktion, ob in Offenburg oder in München. Sie ähnelte für mich der nervösen Stimmung in einem Musikstudio kurz vor der Aufnahme. Die Lust am Aufbruch, wie sie der Film »Easy Rider« eingefangen hat, und das Sehnen nach Eleganz, wofür das Pariser »Rive gauche« stand – das gefiel mir.
    Natürlich verstanden wir uns nicht als »Sturmgeschütz der Demokratie«. Kampagnen-Journalismus war unsere Sache nicht. Wenn man den Unterschied musikalisch beschreiben möchte, so glich »Bunte« eher der Ouvertüre des »Barbier von Sevilla« von Gioacchino Rossini und das politische Nachrichtenmagazin der Ouvertüre zu Richard Wagners Oper »Rienzi«, wenn nicht gar dem »Walkürenritt«.
    Es gibt eine große Fraktion unter Journalisten, für die das politisch Korrekte als eine Art Religionsersatz herhalten muss. Diese Form eines sehr deutschen Kulturprotestantismus kam für »Bunte« nicht in Frage. Denn sie wird in München produziert, und München liegt in Bayern und Bayern steht für Barock.
    Eine Geschichte liebten wir sehr. In der barocken Wieskirche wurde die Hochzeitsmesse für ein Paar gegeben, das die Neugier der Illustrierten auf sich zog. Der »Bunte«-Fotograf hatte sich unbemerkt direkt hinter dem Altar auf ein Podest gestellt, um möglichst präzise Nahaufnahmen zu schießen. Als der Priester vor der Wandlung an den Tabernakel trat, um ihn umzudrehen und zu öffnen, touchierte er unseren Fotomann. Der geriet aus dem Gleichgewicht und wäre fast auf den Altar gestürzt. Ein Bubenstreich, obwohl wir schon über
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