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Die BUNTE Story

Die BUNTE Story

Titel: Die BUNTE Story
Autoren: Hubert Burda
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faszinierte mich.
    In Deutschland begann das private Fernsehen erst ab 1982. Leo Kirchs Geschäftstüchtigkeit gefiel mir. Wir beteiligten uns an seinem SAT.1 und hielten 15,6 Prozent, die meine Brüder im Jahr 1986 wieder verkauften.
    Noch heute bin ich traurig, dass wir, die Firma Burda, viel zu früh aus dem Fernsehgeschäft ausgestiegen sind. Mit der Verkaufsentscheidung begann die Teilung des Unternehmens nach dem Tod meines Vaters.

    »Bunte« war die Erfindung meines Vaters. Es erforderte viel Diplomatie und Einfühlung, ihm dieses Gefühl zu lassen.
    Längst zurück aus Los Angeles, noch im Jahr 1976, erfuhr ich, dass mein Vater schwer erkrankt war. Er musste mehrmals am Darm operiert werden. Noch heute kommt es mir vor, als hätten die häufigen Anästhesien seine spätere Parkinson-Krankheit ausgelöst.
    Der übermächtige Vater wurde allmählich schwächer und dachte daran, sein Lebenswerk zu ordnen. Meine Arbeit bei »Bunte« verfolgte er mit Wohlwollen. Er hatte Vertrauen zu mir gefasst.
    In der Tat hatten sich die vielen Fragezeichen zu Beginn meiner »Bunte«-Zeit verflüchtigt. Deutschlands wichtigster Pressedienst, der Kress-Report, schrieb über mich: »Der promovierte Kunsthistoriker und begabte dilettierende Soziologe hat seine verlegerischen Jugendsünden hinter sich, belernt sich so langsam auch im Umgang mit den Mitarbeitern, schießt im Gebrauch von Fremdwörtern der komplizierten Art immer noch über das Ziel hinaus, aber am Werkstück ist er ›ganz wie der Vadder‹, knallheiß, eminent fleißig, kreativ, stets die Antennen ausgefahren. Auf seine Weise ist auch er stets sicher, zu wissen, was läuft.«
    Meine Laufbahn als Verleger hatte ich ja nicht als Journalist begonnen, sondern ich war sehr früh im Vertriebs- und Anzeigengeschäft groß geworden. Mediaplanung, die Agenturen, Texter, Layouter, das war meine Welt. Und was das Anzeigengeschäft angeht, lief das meiste in Düsseldorf: DDB, das Team von Hubert Troost und GGK. Die Rheinstadt war meine Metropole mit ihren Künstlern und Galerien. So lernte ich eine Mischung unterschiedlichster Genialität kennen: Joseph Beuys, Willi Schalk, Vilim Vasata, Sigmar Polke, Konrad Fischer, Wolf Rogosky, Hubert Troost und Bazon Brock – ein Hauch Kalifornien am Rhein.
    Fast jede Woche war ich einmal bei Werbeagenturen, aber nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Hamburg und Frankfurt und stellte ihnen die neue »Bunte« vor. Ihr Image war, wie gesagt, in die Jahre gekommen – gekrönte Häupter und die heile Welt. Das wollte ich ändern. Mein ästhetisches Empfinden mit Mitte dreißig wurde von der modernen Kunst geprägt. Ich war »documenta«-Fan, sammelte Baldessari, Richard Long, Minimal Art und Jan Dibbets. Bei dem Galeristen Konrad Fischer hielt ich in Anwesenheit von Joseph Beuys eine Rede über »Media is Art«. Mich freute, dass Joseph Beuys, den ich gut kannte, zu den Zuhörern gehörte. Ich entwarf eine Anzeige, auf der nur stand: »Bunte, die große Alternative«. Mit einem einfachen Beispiel wollte ich sie erklären, erinnerte mich an einen alten Barkeeper-Spruch und nahm eine Flasche Mineralwasser und ein Glas zur Hand. Das Glas füllte ich bis zur Hälfte und sagte: »Es gibt zwei Mentalitäten. Nach der einen ist das Glas halb leer, nach der anderen halb voll.«
    Etwas direkt gegen die Hamburger Zeitschriften »Stern« oder »Spiegel« traute ich mich nicht zu sagen. Ich wusste um die Qualitätsunterschiede, und der »Stern« unter Nannen und Gillhausen gehörte damals zu den bestgemachten Illustrierten der Welt. Wie also sollte ich die Option für halb voll verständlich machen?
    Der Fluxus-Künstler und unabhängige Philosoph Bazon Brock war mein Kunstberater. Er forderte mich auf: »Du musst Thomas Jefferson lesen!« Noch heute finde ich in meinen Aufzeichnungen von damals eine Bemerkung aus einer Rezension über Jefferson. Nach ihr wunderten sich die Europäer bis zum heutigen Tag über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, vor allem über die Sätze, die von Jefferson stammten: »Wir erachten es als selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geboren sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind, dass zu diesen Rechten Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.« Ja, das war es. Das Streben nach Glück als unveräußerliches Menschenrecht – damit wurde die Vorstellungswelt meines Vaters, nach der ein halb eingeschenktes immer ein halbvolles Glas war, von
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