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Die Brut

Titel: Die Brut
Autoren: Thea Dorn
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Kopf zur Tür herein. »Ach, du bist allein. Ich dachte, ich hätte dich mit jemandem reden gehört.«
    »Scheiße, nein. Ich hab bloß telefoniert.« Tessa zog ein neues Tuch aus der Box.
    »Entschuldigung.«
    Normalerweise erwiderte sie Bens Lächeln pawlowsch.
    »Ich glaub, die Behrens hat sich verhört«, sagte er. »Ich habe ziemlich deutlich Abendbrot verstanden.«
    Tessa hörte auf, ihre Hände zu schrubben, und schaute Ben an. »Hat dich Attila hergeschickt, damit du mir das sagst?«
    »Unsinn. Ich wollte dich nur fragen, ob du noch mit ins
Krösus
kommst. Ich hab um Mitternacht Geburtstag.«
    »Ich bin müde.« Tessa widmete sich wieder ihren Händen.
    »Ach komm. Bitte.« Ben machte einen Schritt ins Zimmer hinein und bohrte seine Hände in die Hosentaschen.
    »Ich bin total geschafft.«
    »Ein Glas«, sagte er und streckte einen Daumen in die Höhe. »Ein Glas. Ich werd nur einmal dreißig.«
    Im Spiegel sah Tessa, wie er sie unter seinem verwuschelten Braunschopf anschaute. Seine Augen waren sehr dunkel. »Ich kann nicht«, sagte sie und betrachtete ihre gereinigten Hände.
    Er war zurück. Tessa spürte es, kaum dass sich die Türen des Fahrstuhls, der sie direkt ins Loft brachte, hinter ihr geschlossen hatten. Nur aus dem Küchenbereich drang schwaches Licht. Keine Geräusche. Er war oben auf der Galerie. Und schlief. Neben dem Fahrstuhl standen die braunen Budapester, die er sich im Sommer hatte machen lassen.
    Sie fühlte sich nüchtern, als hätte sie den ganzen Abend Apfelsaftschorle getrunken. Ben hatte sie schließlich doch noch überredet, mit ins
Krösus
zu gehen. Es war gut gewesen. Das
Krösus
war immer gut, besonders seitdem es in der Sperrzone rund um die amerikanische Botschaft lag, und jeder, der dorthin wollte, die Straßensperre mit den Ausweis- und Sicherheitskontrollen passieren musste. Letzte Woche waren eine Menge Leute im
Krösus
gewesen, die Tessa dort noch nie gesehen hatte. Der Barmann hatte ihr erklärt, dass es in drei Zeitungen Solidaritätsaufrufe mit der umzingelten Lounge gegeben hatte. Heute waren sie unter sich geblieben. Nur Leute aus der Redaktion und vom Sender. Sie hatten die Tische zur Seite gerückt und getanzt.
    Gouchie, Gouchie, ya ya dada!
    Es war gut gewesen. Die Bässe in der Wirbelsäule zu spüren. Das Stampfen. Das alles klein machte und zusammenstauchte, wie in einer Autopresse. Sie hätte Bens Vorschlag, noch in einen Club zu ziehen, annehmen sollen.
    Im Halbdunkel hängte Tessa ihren Mantel an die Garderobe und ging zu dem Regal, in dem ihre CDs standen. In ihrer alten Wohnung hatte sie das oft gemacht. Bis zum Morgen mit sich selbst getanzt, wenn sie nach einer Sendung allein nach Hause gekommen war. Sie zog eine CD aus dem Regal, ohne das Cover zu erkennen. Es war egal. In ihrem Regal gab es nur CDs, zu denen man tanzen konnte.
    Von der Galerie, die jetzt unmittelbar über ihr war, hörte sie ein Geräusch. Tessa hielt inne. Schnarchen. Sebastian schnarchte nur, kurz nachdem er eingeschlafen war. Er hatte auf sie gewartet. Fast. Die Uhr am DVD-Recorder zeigte 02:27. Tessa schob die CD ins Regal zurück.
    Das Gästebad war im unteren Stockwerk. Tessa schnupperte an der Zahnbürste, die in dem weißen Keramikbecher neben dem Waschbecken stand. Sebastian hatte der Putzfrau aufgetragen, immer eine frische Zahnbürste in den Becher zu stellen. Für Freunde, die sich spontan entschlossen, über Nacht zu bleiben. Seitdem sie in dem Loft wohnten, hatte noch nie jemand bei ihnen übernachtet. Tessa betrachtete sich im Spiegel. Das Make-up war nur wenig verschmiert. Ein bisschen Puder. Ein bisschen Lippenstift, und alles war wieder in Ordnung. Sie konnte Ben anrufen und ihn fragen, wo er war. Sie hatte schon lange keine Nacht mehr durchgemacht. Wenn Ben in einen Club gegangen war, würde er sein Handy nicht hören. Oder er hatte es ganz ausgemacht. Morgen würde er sehen, dass sie versucht hatte, ihn letzte Nacht zu erreichen. Er würde sie anrufen. Sie würde morgen nicht mit ihm darüber reden wollen. Tessa stellte die Zahnbürste in den weißen Keramikbecher zurück und schlich in Strümpfen die Holzstufen zum oberen Stockwerk hinauf.
    Sebastian hatte aufgehört zu schnarchen. Das Licht, das durch die großen, vorhanglosen Scheiben aufs Bett fiel, war hell genug, um seine Konturen zu erkennen. Sein Oberkörper lag nackt da, sein rechter Arm quer über ihrem Kissen. Es war noch nicht oft geschehen, dass er schon schlief, wenn sie nach Hause kam. Bevor sie mit
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