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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder
Autoren: Jan Guillou
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nachts in vollkommene Dunkelheit übergegangen war, hatten alle Komponenten des blauen Märchenbilds Brightons ihren Platz gefunden.
    Eines Nachts, als die Bedingungen für sein Unterfangen besonders günstig waren und er sich anschickte, sich so in seine Malerei zu vertiefen, dass er stundenlang nicht an Albie denken würde, wurde er von der Polizei aufgegriffen und musste eine Nacht in einer Zelle der Brighton Constabulary mitten in der Stadt verbringen.
    Man hatte ihn als deutschen Spion denunziert. Das Verhör mit einem Detective Superintendent und zwei Con­stables begann um acht Uhr morgens.
    Er sei also Deutscher?
    Nein, er sei Norweger und die Behauptung, er habe einen deutschen Akzent, sei eine ziemliche Übertreibung.
    Aber er spreche doch Deutsch und habe sogar in Deutschland studiert?
    Ja, das sei wahr. Er sei Ingenieur, aber sein Examen habe er im Jahre 1901 abgelegt in einer anderen Zeit und einer anderen Welt.
    Aha! Er sei also Ingenieur. Er bereite also einen deutschen Angriff vor. Mit U-Booten? Lege er mit mathema­tischer Präzision mögliche Angriffsziele fest?
    Nein, er sei Künstler. Sein Nachtbild Brightons sei eine ausschließlich ästhetische Komposition und zum Auffinden militärischer Ziele vollkommen ungeeignet.
    Das beschlagnahmte und so gut wie fertiggestellte Gemälde wurde im Verhörzimmer an die Wand gelehnt. Drei misstrauische Polizeibeamte betrachteten es voller Ernst.
    Er möge also Blau in verschiedenen Nuancen?
    Durchaus, gab Sverre zu. Diese Vorliebe habe er im Laufe der letzten Jahre entwickelt. Ob den Herren das Gemälde gefalle?
    Das tue nichts zur Sache. Wo in England er wohne, nach Brighton käme er ja gemäß vorliegender Berichte nur gelegentlich. Wo seine Basis sei?
    Selbstverständlich habe er keine »Basis« und sei auch kein Spion. Im Augenblick wohne er bei Freunden in Sussex nordöstlich von Brighton, aber sein fester Wohnort sei Manningham House in Wiltshire.
    Manningham House? Womit beschäftige er sich dort?
    Dort betreibe er ein kleines Ingenieursbüro zusammen mit seinem Kompagnon, dem 13. Earl of Manningham, Lord Albert Fitzgerald.
    Damit war das Verhör abrupt zu Ende. Die Beamten baten Sverre, seine Behauptung zu dokumentieren, und dieser zog einige Vollmachten aus der Tasche, angefangen vom Verfügungsrecht über den Weinkeller über die Erlaubnis, die Automobile von Manningham House zu benutzen, bis hin zu Anweisungen hinsichtlich des ­Frühstücks in der Ingenieursvilla.
    Die Beamten, die nun ein förmlicheres und höflicheres Verhalten an den Tag legten, teilten mit, sie müssten die Dokumente überprüfen, und baten angesichts des Umstands, dass Sverre gleich wieder vom Schließer abgeführt werden würde, mit erstaunlicher Höflichkeit um ein bisschen Zeit für diese Aufgabe.
    Als er noch am gleichen Tag aus seiner Zelle entlassen wurde, wurden ihm unter vielen Entschuldigungen sein Gemälde, seine Staffelei, sein Skizzenblock und alle anderen Habseligkeiten ausgehändigt. Man sagte, die Sache sei »erledigt«.
    Eine Kirchenglocke begann zu läuten, als er zu seiner Pension an der Strandpromenade schlenderte. Dann begannen die Glocken der nächsten Kirche zu läuten, und bald hallte ganz Brighton von Kirchenglocken wider.
    Erst glaubte Sverre, es handele sich um einen Alarm. Aber als die ersten glücklichen und schreienden Menschen auf die Straße rannten, wusste er, was geschehen war.
    Sverre brauchte fast den ganzen Tag, um von Brighton zum Charleston Farmhouse zu gelangen. Im allgemeinen Glücksrausch über den Frieden war der gesamte Verkehr zusammengebrochen.
    Als er durch die Pforte trat, versuchte er zu enträtseln, was nicht stimmte. Es war die Stille. In der Laube standen fünf oder sechs leere Champagnerflaschen zwischen umgekippten Gläsern und Aschenbechern auf einem dekorierten Gartentisch. Sie hatten den Frieden gefeiert, die Feier war jedoch vorbei. Waren sie alle nach London gefahren?
    Er stellte die Tasche mit seinen Malsachen und die Staffelei ab und ging durch den Garten. Beim Seerosenteich entdeckte er Margie auf einem von Unkraut überwach­senen Gartenstuhl. Offenbar war sie an diesem Tag aus London eingetroffen. Sie trug ein förmliches Reisekostüm aus Tweed und saß reglos mit gefalteten Händen da. Etwas an diesem Bild stimmte nicht. Sverre konnte nicht umhin, einen Gedanken an die Komposition zu verschwenden, daran, wie sich die sehr aufrecht sitzende Margie zwischen den Seerosen des Teichs spiegelte.
    Dann erblickte er den
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