Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
doch war
ich nicht imstande, sie zu identifizieren. Ich wartete darauf,
daß er von neuem zu sprechen begann. Er blieb jedoch stumm
stehen und studierte mein Gesicht.
    Wir schüttelten im gleichen Augenblick den Kopf. »Das
ist ein Traum«, sagte ich leise, während er etwas in seiner
eigenen Sprache flüsterte. »Das kann nicht geschehen«,
fuhr ich fort. »Das ist nicht möglich. Ich träume, und
du bist etwas aus meinem Innern.« Gemeinsam verstummten wir.
    Ich betrachtete seinen Wagen, und er betrachtete meinen. Sein
Fahrzeug war von dem gleichen Typ wie meines. Ob seines verschlossen
und gesichert war wie meines, ob der Inhalt ebenso wichtig und
schrecklich war wie der, den mein Wagen barg, konnte ich nicht
sagen.
    Plötzlich tat ich einen Schritt zur Seite. Er bewegte sich in
dem gleichen Augenblick, als wolle er mir den Weg vertreten. Wir
wichen beide zurück. Ich konnte den Mann jetzt riechen. Es war
ein seltsamer Geruch nach einem moschusartigen Parfum, in das sich
schale Spuren eines Gewürzes oder einer Knolle
ausländischer Herkunft mischten. Er verzog leicht das Gesicht,
gerade als nehme er an meiner Person einen Geruch wahr, den er
irgendwie beunruhigend oder widerwärtig fände. Seine eine
Augenbraue zuckte merkwürdig, gerade als mir meine Waffe
einfiel. Vor meinem geistigen Auge huschte das absurde Bild
vorüber, wie wir beide unsere Revolver zogen und abfeuerten und
die bleiernen Projektile sich in der Luft trafen und
aufeinanderprallten und sich zu perfekt kreisrunden Münzen
zerquetschten Metalls abflachten. Mein unvollkommenes Double
lächelte, genau wie ich vor mich hin lächelte. Wir
schüttelten beide den Kopf. Wenigstens diese Bewegung bedurfte
keiner Übersetzung, obwohl mir der Gedanke kam, ein ähnlich
langsames und nachdenkliches Nicken hätte der Situation
ebensogut entsprochen. Wir wichen beide einen Schritt zurück und
sahen uns an diesem hochgelegenen Ort in der stillen, kalten,
öden Landschaft um, als könnten wir in dieser Öde
etwas finden, das einen von uns oder uns beide auf einen Einfall
bringen würde.
    Mir kam keiner.
    Wir drehten uns um, gingen zu unseren Wagen zurück und
stiegen auf den Bock.
    Als eine vage Gestalt hinter dem unruhigen Licht seiner
Wagenlampen (wie ich es zweifellos für ihn war) saß er
eine Weile bewegungslos da. Dann ergriff er die Zügel –
ebenso wie ich – mit einem resignierten Achselzucken und mit
einem so krummen Rücken und einer so unsicheren Hand, daß
es wie die Bewegungen eines alten Mannes wirkte (und ich spiegelte
sie wider, und mich überkam eine Art Bitterkeit von altersher,
eine Schwere, eine eisspröde Dicke, die tödlicher und
intensiver war als die Kälte der Luft).
    Er zog sacht an den Köpfen seiner Pferde. Ich gab meinen auf
die gleiche Weise das Zeichen. Wir begannen, unsere Wagen zu wenden,
benutzten unser eigenes beschränktes Gebiet des kleinen
Ausweichplatzes, schoben uns vor und zurück und pfiffen beide
unseren Pferden zu.
    Wenn wir parallel zueinander sind, nahm ich mir vor, uns
die Breitseiten zuwenden wie zwei Schlachtschiffe, werde ich
meine Waffe ziehen und schießen. Ich kann nicht umkehren;
auch wenn er mich nicht vorbeilassen will, auch wenn er noch so
entschlossen ist, ich muß weiterfahren, mir bleibt keine
Wahl.
    Langsam manövrierten wir unsere unbeholfenen Fahrzeuge, bis
sie Seite an Seite standen. Bei seinem waren ebenso wie bei meinem
Türen und Fenster verschlossen und mit Gurten gesichert. Er sah
mich an, faßte mit beinahe selbstzufriedener Langsamkeit in
seinen Mantel, ebenso wie ich es tat, der ich in meiner Jacke nach
der Innentasche tastete und vorsichtig meinen Revolver hervorholte.
Würde er den Handschuh ausziehen? Wir zögerten beide, dann
knöpfte er seinen Handschuh am Handgelenk auf, ebenso wie ich.
Er legte den Handschuh neben sich auf den Sitz. Dann hob er den
Revolver und zielte auf mich.
    Er drückte den Abzug, ebenso wie ich. Zwei leise Klicklaute
waren zu hören, sonst nichts.
    Beide öffneten wir die Kammern. Im Licht der einen Lampe
konnte ich sehen, daß der Hammer in meiner Waffe die Basis der
Patrone getroffen hatte. Eine winzige Einkerbung zeigte sich auf dem
kupferfarbenen Metall. Das Geschoß war, wie offensichtlich
seins auch, feucht geworden oder hatte einen Herstellungsschaden. So
etwas geschieht gelegentlich.
    Wieder sah er mich an, und unser Lächeln war traurig. Wir
steckten unsere Revolver in die Jacken zurück, dann wendeten wir
unsere Wagen ganz und fuhren, ich mit meiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher