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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers
Autoren: Hilke Mueller
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Lebt wohl … « , murmelte sie beschämt und lief den Weg zurück, ohne sich nach ihm umzusehen.

2
    M illies Gezeter war weithin zu hören. Alle Wäschestücke lagen verteilt auf dem Weg, und die vielen Hufe und Fußtritte hatten ihnen arg zugesetzt. Ambroise, dem sie die Schuld an dem Unglück gab, hob schweigend ein Stück nach dem anderen aus dem Matsch und warf es in den Korb. Er verteidigte sich nicht gegen ihre zornigen Vorwürfe, da Millie so vom Kummer um ihre sauberen Laken und Hemden überwältigt war, dass sie ihm gar nicht zugehört hätte.
    » Alles ist verdorben und zerrissen! « , rief sie Tiessa zu. » Jordan hat kein einziges Hemd mehr, außer dem, was er auf dem Leib trägt. Und die Tischtücher sind … «
    Sie stockte, denn in diesem Augenblick bewegte sich eine seltsame Dreiergruppe langsamen Schrittes an ihnen vorüber. Die spitzen Hüte der Juden waren verdreckt und eingeknickt, die Flecken auf ihren zerrissenen Gewändern vom Regen auseinandergelaufen. Die beiden jungen Männer hielten den leblosen Körper des Vaters zwischen sich und stützten ihn so ab, dass es den Anschein hatte, als ginge er auf den eigenen Füßen. Der Kopf des alten Mannes hing auf die Brust herab, sodass man die Wunde, die der Ritter ihm geschlagen hatte, nicht sah, doch Bart und Obergewand waren tiefrot von seinem Blut.
    Sie achteten nicht auf die beiden Frauen und den Jungen, sondern folgten schweigend dem Weg zur Stadt, den Blick in die Ferne gerichtet, als befänden sie sich in einer anderen Welt, in der die herumstehenden Gaffer keinerlei Bedeutung hatten.
    » Das war nicht ritterlich gehandelt « , entfuhr es Tiessa zornig, als sie an ihnen vorübergezogen waren. » Hatte er nicht ein Kreuz auf dem Ärmel? Ein Ritter, der auszieht, das heilige Jerusalem von den Sarazenen zu befreien, der sollte nicht hier in der Heimat das Schwert erheben. «
    » Ach was « , sagte Millie, die ein schmutziges Laken auswrang. Auch sie war erschrocken, doch Tiessas Empörung teilte sie nicht. » Das war doch nur ein Jude. Hast du nicht gehört, dass sie kleine Kinder ermorden, um sich an den Christen zu rächen? «
    Sie warf das Laken in den Korb und watete durch den Matsch, die Augen auf den Boden gerichtet, um ja kein Wäschestück zu vergessen.
    » Du hast recht, Tiessa « , murmelte Ambroise. » Es war feig, denn die Juden hatten keine Waffen. Der alte Aaron schon gar nicht. «
    Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, beschmierte sich dabei mit gelbem Schlamm und blickte Tiessa schuldbewusst und zugleich vorwurfsvoll an. Obgleich ihr nicht zum Lachen war, fand sie doch, dass er dabei ziemlich komisch aussah.
    » Wer war der Reiter? «
    Tiessa hob den Kopf und sah zur Stadt hinüber. Eine mächtige Kastanie reckte sich hoch über die Mauer, ansonsten sah man von hier aus nur die Schindeldächer einiger größerer Wohngebäude und das nasse Strohdach einer Scheune. Dicht neben dem Tor hockten zusammengekauerte Gestalten. Es waren Bettler, die ihre Rücken eng an die Mauer pressten, um wenigstens einigermaßen vor dem Regen geschützt zu sein. Tiessas unbekannter Retter war längst in die Stadt geritten.
    » Was weiß ich? Irgendein Ritter wohl « , tat sie gleichgültig.
    Ambroise zischte verächtlich und zog die Oberlippe hoch.
    » Ein Knecht ist der, höchstens ein Knappe. Seine Sporen waren so verdreckt, dass man nicht sehen konnte, woraus sie gemacht sind. «
    » Er hatte aber ein Schwert, glaube ich … «
    Der Junge kniff die Augen zusammen, denn Tiessa hatte leider recht. Allerdings hatte er gesehen, dass die hölzerne Scheide mit dem Schwert darin am Sattelknauf befestigt war – ein Ritter war der Bursche also ganz gewiss nicht, sonst hätte sein Schwert am Gürtel gehangen.
    » Wieso hat er dich auf sein Pferd gehoben, wenn du ihn gar nicht kennst? «
    » Was fragst du mich? « , fuhr sie ihn ungeduldig an. » Ich habe ihn jedenfalls nicht darum gebeten. «
    Sie spürte, dass sie ungerecht war, und schwieg deshalb während des gesamten Heimwegs. Auch Ambroise blieb – ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten – recht einsilbig. Nur Millie schalt und jammerte immer noch um die zerrissenen Tücher und Gewänder, für die sie mal Ambroise, mal Tiessa und dann wieder die Juden verantwortlich machte, doch niemand hörte ihr zu. Die Stadt schien wie ausgestorben. Mensch und Tier hatten sich vor dem Unwetter verkrochen, die Türen waren geschlossen und die wenigen, schmalen Fenster mit Brettern geschützt. Nur
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