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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers
Autoren: Hilke Mueller
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Galfried, der Irre, hüpfte mit eigenartigen Sprüngen auf dem Weg herum und warf immer wieder die dürren Arme zum Himmel empor. Er trug nur das kurze Hemd, das ihm völlig durchnässt am Leib klebte, und sein Geschrei, über das sonst alle lachen mussten, erschien Tiessa heute unheimlich. Als sie das Palisadentor des elterlichen Anwesens passierten und der schwarzgefleckte Barro ihnen trotz des Regens schweifwedelnd entgegenlief, bemerkte Millie boshaft:
    » Wenn die Leute erfahren, dass du bei einem Fremden auf dem Pferd gesessen hast – das wird ein Gerede geben! «
    » Es hat ja niemand außer uns gesehen « , entgegnete Ambroise rasch, doch Millie zog eine Miene, als habe sie ihn gar nicht gehört.
    Das Anwesen des Ministerialen Jean Corbeille war das größte im Ort. Es war stattlicher als die Häuser der übrigen Hofleute und Handwerker, denn Tiessas Vater genoss seit Jahren das Vertrauen des Grafen von Perche. Verlässlich sorgte er dafür, dass alle Abgaben rechtzeitig zur Burg geschafft wurden, führte Buch darüber und kontrollierte genau, ob die Bauern nicht etwa nur die schwächeren und kranken Tiere oder das schimmelige Getreide zum Grafen trugen. Für seine Dienste hatte Tiessas Vater ein Grundstück innerhalb der Stadtmauern zum Erblehen erhalten sowie Hilfe beim Bau des zweistöckigen Wohnhauses, das sogar einen Sockel aus Steinen bekam. Nur die übrigen Gebäude, die Remisen, Scheunen und den Pferdestall hatte er auf eigene Rechnung erstellen lassen. Tiessa war stolz auf das Ansehen ihres Vaters beim Grafen, denn allein vom Wohlwollen der adeligen Herren hingen ihre Stellung und ihr Wohlstand ab.
    Auf dem Hof war niemand zu sehen. Ein zweirädriger Karren, auf dem einige Fässer festgezurrt waren, stand vor einer Remise, die Hühner hatten in ihrem Stall Schutz gesucht, von allen Dächern floss das Regenwasser in dichten Schleiern herunter. Man hatte einige große Kübel aufgestellt, um das Wasser aufzufangen, der Rest sammelte sich in den beiden Fahrrinnen, aus denen die Flut sprudelnd zum Weg hinabströmte. Mit triefenden Haaren und klatschnassen Gewändern, zwischen sich den Korb, aus dem schmutzige Brühe tropfte, betraten sie die Küche und hörten gleich darauf Corbas entsetzten Aufschrei.
    » Großer Gott – Tiessa! Millie! Weshalb habt ihr nicht Schutz gesucht? Wie seht ihr nur aus? «
    Millie senkte schweigend den Kopf, denn sie glaubte zu wissen, dass Corbas Sorge vor allem ihrer geliebten Tochter Tiessa galt. Sie war nur die Schwiegertochter, und obgleich Corba sich bemühte, sie freundlich zu behandeln, hielt sich die gegenseitige Zuneigung in Grenzen. Millie konnte mit Corbas rascher Art nichts anfangen, wurde davon überrumpelt und verwirrt, sodass die Schwiegertochter oft noch umständlicher wirkte, als sie ohnehin schon war. Doch es gab niemanden, bei dem sie sich hätte beklagen können, ihr Mann Jordan ließ niemals etwas auf seine Mutter kommen. Corba war die Herrin im Haus, hochgewachsen und biegsam wie ihre Tochter, immer noch schön, das lange Haar unter der Haube immer noch braun, ihre Schritte leicht, die Stimme kräftig, ihre Sinne klar.
    Tiessa hatte sich inzwischen wieder gefasst, und auch Ambroise hatte seine Beredsamkeit wiedergefunden. Beide schilderten, was auf dem Weg vor dem Ort geschehen war: das Durcheinander und die Panik der ineinander verwickelten Reittiere, den Zorn des Ritters, das Unglück mit ihrem Wäschekorb, den Schwertstreich gegen den Juden. Nur die Sache mit dem Reiter, der Tiessa auf sein Pferd gezogen hatte, ließen sie im stillschweigenden Einverständnis aus.
    » Der Herr sei uns gnädig « , rief Corba kopfschüttelnd. » Der alte Aaron war kein schlechter Mensch, obgleich er ein Jude war. Es war nicht recht von dem Ritter, ihn im Zorn zu erschlagen. «
    Millie musste wieder einmal feststellen, wie rasch Corba über manche Dinge hinwegging, die ihr selbst so ungeheuer wichtig erschienen. Anstatt die verdorbenen Wäschestücke zu beklagen und Ambroise für seine Ungeschicklichkeit mit einer guten Tracht Prügel zu strafen, befahl Corba nur, dass trockene Gewänder herbeigebracht wurden. Zu allem Überfluss erhielt Ambroise, dieser Nichtsnutz und gottlose Schwätzer, ein altes Gewand von Jordan, da der Schelm nur einen einzigen Kittel besaß.
    » Jetzt aber rasch! « , rief Corba und klatschte in die Hände. » Wir müssen eine Mahlzeit zubereiten, oben sitzt ein Gast bei dem Vater und Jordan im Wohnraum. Ambroise – hol Weizen und Trockenerbsen
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