Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers
Autoren: Hilke Mueller
Vom Netzwerk:
Aaron, der erhobene Arm des Ritters, das Blitzen des niedersausenden Schwertes. Sie konnte nicht mehr sehen, wohin es traf, denn im gleichen Moment war das boshafte Himmelslicht erloschen, und in die graue Dämmerung schlug krachend der Donner.
    » Sei still « , sagte der Mann, der sie immer noch mit beiden Armen umfasst hielt. Er schüttelte sie grob, und sie begriff erst jetzt, dass sie gellend aufgeschrien hatte.
    Die ersten, dicken Tropfen klatschten auf sie herunter. Sie spürte eine schreckliche Kälte, die nichts mit dem Regen zu tun hatte.
    » Wie du zitterst « , sagte der Mann hinter ihr im Sattel. » Fast wärst du unter die Pferdehufe geraten, dummes Mädchen. «
    Dicht vor ihnen preschten jetzt Reiter vorbei. Der Ritter und zwei seiner Knappen hatten sich aus dem Durcheinander befreit, hinter ihnen machten sich nun auch einige neugierige Gaffer auf den Weg. Ein Knappe fing die Maultiere seines Herrn ein und mühte sich, die herabgefallenen Bündel wieder aufzuladen. Die Tiere der Juden waren irgendwo in den Wiesen verstreut. Der Regen hatte den Weg schon in ein schlammiges Rinnsal verwandelt. Aarons Söhne knieten am Boden, der Körper ihres Vaters wurde von ihnen verdeckt, doch Tiessa glaubte, einen roten Streifen in dem Wasser zu erkennen, das den Weg hinab in die Wiesen lief.
    » Schau nicht hin « , sagte der Reiter und wendete sein Pferd der Siedlung zu.
    Sie war noch starr vor Entsetzen und nahm kaum wahr, wie ihr Retter sie mit seinem Umhang vor dem strömenden Regen schützte. Erst als sie schon fast das Tor erreicht hatten, wurde ihr bewusst, dass dort auf dem Weg ein Mensch verblutete.
    » Gott im Himmel – ich muss ihm helfen. Lasst mich absteigen … «
    » Dem Juden willst du helfen? Bist du verrückt? «
    Sie machte Anstalten, vom Pferd zu rutschen, aber er hielt sie mit beiden Armen fest umschlossen, während er sein Pferd unbeirrt zum Stadttor lenkte.
    » Was macht es aus, ob er Jude oder Christ ist? « , rief sie zornig und versuchte, sich seinen Armen zu entziehen.
    » Sehr viel « , gab er ungerührt zurück und hielt sie nur umso fester.
    Tiessa wurde unsicher. Ihr Vater hätte ihr ganz sicher verboten, einem Juden Hilfe zu leisten, doch die Mutter dachte anders …
    » Hör endlich auf zu zappeln, dummes Mädchen. Du wirst dem Juden sowieso nicht mehr helfen können. «
    » Ihr glaubt, er ist … «
    » Ganz sicher. Von einem solchen Schlag erholt er sich nicht mehr. Du würdest nur unnötig Ärgernis erregen. Und das wäre schade um dich, denn du bist hübsch und hast ein gutes Herz. «
    Zum ersten Mal sah sie ihn an. Er mochte zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt sein, hatte Wangen und Kinn sorgfältig geschoren, wie alle Männer außer den Bauern und Juden. Seine Züge waren ebenmäßig, wenn auch angespannt wegen des Regens, der ihm trotz der ledernen Kappe über das Gesicht rann. Das halblange, dunkelblonde Haar hatte sich zu Strähnen gebündelt und klebte an Stirn und Wangen. Als er den prüfenden Blick des Mädchens bemerkte, lächelte er. Es war nichts Ungewöhnliches in seinem Lächeln, und doch verspürte Tiessa eine seltsame Unruhe.
    » Wenn Ihr um meinen Ruf besorgt seid, dann lasst mich absteigen « , bat sie. » Es wäre nicht gut, wenn der Torwächter überall erzählte, die Tochter des gräflichen Verwalters sei bei einem Fremden aufgesessen und gemeinsam mit ihm in die Stadt eingeritten. «
    Sie waren schon fast am Tor, als er endlich das Pferd zügelte. Einen Augenblick zögerte er, schien etwas fragen oder mitteilen zu wollen, das er dann aber doch für sich behielt.
    » Ich sehe, dass du ein kluges Mädchen bist « , meinte er stattdessen. » Verzeih mir, dass ich dich mit Gewalt vor Schaden bewahrt habe! Warte, ich helfe dir beim Absteigen … «
    Er schwang sich hinab, ohne sie dabei zu berühren. Verwirrt sah sie zu ihm hinunter, wie er neben seinem Tier stehend die Arme nach ihr ausstreckte. Sein Lächeln war unbefangen, eine gutherzig gemeinte Aufforderung, sich ihm anzuvertrauen.
    » Ich danke Euch. Aber ich kann allein vom Pferd steigen. «
    Die Weigerung überraschte ihn, doch er trat gehorsam zur Seite und hielt das Tier am Halfter, während sie ihr Gewand um sich raffte und dann mutig den Sprung auf den Boden wagte. Das schlammige Rinnsal spritzte hoch auf – es war tatsächlich nicht die Art, wie die Tochter des gräflichen Verwalters vom Pferd steigen sollte, aber das war inzwischen gleich, sie hatte sich schon lächerlich genug gemacht.
    »
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher