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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers
Autoren: Hilke Mueller
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er zog die Augenbrauen zusammen, als müsse er nachdenken. Doch anschließend grüßte er sie mit einer leichten Neigung des Oberkörpers und erklärte unbefangen, nirgendwo, weder in Burgen noch Hütten, ein vollkommeneres Wesen gesehen zu haben als die Tochter seines Gastgebers.
    Tiessa war zunächst einmal erleichtert. Bald fand sie jedoch, dass sein Lächeln, das diese überschwänglichen Worte begleitete, ein wenig seltsam war, als verberge er etwas dahinter. Hatte er sie doch erkannt? Weshalb tat er dann so, als sähe er sie zum ersten Mal? Aus Rücksichtnahme? Oder glaubte er vielleicht gar, ein Pfand gegen sie in der Hand zu haben, das sie bei passender Gelegenheit einlösen musste?
    Ivo erschien ihr jetzt von sehr angenehmem Äußeren. Das schulterlange Haar war getrocknet und mit dem Kamm bearbeitet, sodass es weich und füllig um seine Wangen fiel. Sein Gewand hatte zwar einige feuchte Stellen vom Regen, doch es war aus gutem, blauem Tuch genäht und an Schultern und Halsausschnitt mit einer gestickten Borte verziert.
    Misstrauisch beobachtete sie den jungen Mann, während man die Mahlzeit einnahm. Er saß zur Rechten ihres Vaters, so wie es üblich war, um den Gast der Familie zu ehren. Links neben dem Vaters hatte Corba Platz genommen, und Tiessa hatte rasch den Hocker neben der Mutter beschlagnahmt. Um nichts in der Welt hätte sie neben Ivo sitzen mögen, da sich immer zwei Personen eine Schüssel teilen mussten.
    » Erzähl mir von deiner Mutter « , bat Corba ihren Gast. » Heilige Maria – ich habe Marie so viele Jahre nicht mehr gesehen. Wir waren fast noch Kinder, als wir uns trennen mussten – zweimal habe ich sie besucht, das ist nun auch schon etliche Zeit her. «
    Ivo berichtete, dass sein Vater vor zwei Jahren gestorben sei. Seitdem lebe die Mutter in der Familie seines älteren Bruders, der das Amt des Vaters bei den Grafen von Alençon übernommen hatte. Die Mutter sei wohlauf und froh, ihre Enkel um sich zu haben. Auch die Schwiegertochter sei ein liebes Wesen, es gäbe keinen Streit zwischen ihnen. Kummer hätten sie allerdings gehabt, denn im vergangenen Jahr sei seinem Bruder die jüngste Tochter gestorben.
    » Aber weshalb bist nicht auch du in die Dienste der Grafen von Alençon getreten? « , wollte Jean wissen. » Wie ich sehe, wurdest du als Knappe ausgebildet, also setzte man doch auf dich. «
    » Es ist nicht gut, wenn zwei Brüder gar zu eng beieinander sind – deshalb habe ich beschlossen, auf Fahrt zu gehen und mein Glück anderswo zu suchen. «
    » Da mag viel Wahres dran sein « , gab Jean zurück.
    Tiessa stellte fest, dass der Gast weder beim Kauen redete noch mit dem gefüllten Löffel in der Luft herumfuhr, wie Jordan es gerne tat. Auch bemühte er sich, Millie, mit der er aus einer Schüssel aß, die besten Brocken zu überlassen. Millie jedoch schien diese Rücksichtnahme gar nicht zu bemerken, sie aß schweigend und starrte dabei auf die hölzerne Tischplatte. Auch wenn Ivo voll des Lobes über den hohen Raum war, die hölzerne Wandverkleidung, die messingbeschlagenen Truhen und den gestickten Wandteppich, so war es Millie doch schrecklich peinlich, dass man für den Gast nicht einmal ein weißes Tischtuch hatte auflegen können, denn alle Tücher befanden sich im Wäschekorb.
    Jean Corbeille war schon an die fünfzig, schmal, das Haar ergraut, doch die hellen, blauen Augen erfassten vieles, das anderen entging. Er schien an dem jungen Mann Gefallen gefunden zu haben, denn er fragte ihn immer wieder dies und das, kam auf die Lage in den angevinischen Ländern zu sprechen, und war erfreut, dass Ivo seine Abneigung gegen König Richard von England teilte.
    » Er hat wohl Grund, im Heiligen Land zu kämpfen, denn seine Sünden sind groß « , meinte Jean. » Noch im vergangenen Jahr zog er gegen den eigenen Vater zu Felde, besiegte ihn und entriss ihm den Thron. Wenige Tage später ist Heinrich II . gestorben, und man redet sogar davon, dass der Leichnam des alten Königs zu bluten begann, als sein Sohn Richard die Kirche betrat. «
    Ivo stimmte ihm zu, vertrat jedoch auch die Ansicht, dass Richard nicht besser oder schlechter als die übrigen Söhne des Heinrich Plantagenet war, denn sie alle hatten das Land immer wieder mit Kriegen überzogen.
    » Alle bis auf den Jüngsten « , warf Tiessa ein.
    Ivo warf ihr einen erstaunten Blick zu. Er hatte geglaubt, solche Gespräche taugten eher für Männer, die über diese Dinge besser Bescheid wussten. Tatsächlich zeigte
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