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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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Kaufmanns angenommen. Ich kümmere mich um die Erziehung der Kinder. Rate mal, wie die Familie heißt.«
    Sie sah den Schmerz in seinen Augen, der ihn unbeholfen machte. »Woher soll ich das wissen?«, fragte er.
    »Cantafini«, sagte sie.
    Er lächelte schwach. Dann wies er mit einer eckigen Handbewegung auf den Unterstand, die Fähre und den Strom. »Ich habe das hier …«, sagte er. Er schien mehr sagen zu wollen, aber nicht zu wissen, was. Magdalenas Herz blutete für ihn. Sie sah in dem zerschundenen, steifen, von seinen Wunden gezeichneten Fremden vor sich den Mann, der ihre Seele berührt hatte, aber dieser Mann hatte sich so tief in sich selbst versteckt, dass sie nicht wusste, wie sie ihn erreichen sollte.
    »Ich möchte nicht warten«, sagte sie. »Setz mich über.«
    Lorenzo atmete ein. Dann nickte er. Er zeigte ihr, wo sie sich am besten postierte, dann machte er die Fähre los. Er schob sie an, bis sie vom Ufer freikam, kletterte mit nassen Hosenbeinen hinauf und fasste nach dem Gierseil.
    »Halt«, sagte sie. »Halt die Fähre an.«
    Lorenzo starrte sie an. Er blickte zum diesseitigen Ufer zurück, von dem sie keine zwei Mannslängen entfernt waren. Die Fähre schwappte träge und friedlich auf den Wellen. Die Strömung hatte sie noch nicht erfasst.
    »Wir sind weder hüben noch drüben«, sagte Magdalena. »Wir sind nicht mehr die, die wir waren, und sind noch nicht die, die wir sein möchten. Ich werde dir alles erzählen, was ich weiß, und danach erzählst du mir alles, was du weißt. Einverstanden?«
    Lorenzo musterte sie. Schließlich nickte er.
    Magdalena holte Atem und berichtete.
    Sie hatte Schwester Radegundis’ Worten geglaubt, dass Lorenzo zusammen mit allen anderen umgekommen war. Als die Schwarze Schar auf der Dammkrone erschien und die Männer zu ihnen herüberspähten, gerieten die Dörfler in Panik und flohen weiter, obwohl ihnen nichts geschehen konnte. Der Strom war zu weit, um sie mit Bleikugeln, Pfeilen oder Armbrustgeschossen zu erreichen. Wie Corto es vorausgesagt hatte, wagten die Landsknechte sich nicht in die Furt. Wenn es nach Magdalena gegangen wäre, hätten die anderen sie einfach vom Wagenwrack werfen und liegen lassen können. Sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben versucht, mit ihrem besonderen Sinn gezielt nach den Schwingungen eines anderen Menschen zu lauschen. Es war keine Antwort gekommen. Schließlich hatte sie sich ihrem Schicksal ergeben und gehofft, sterben zu können, aber auch das war ihr nicht vergönnt gewesen.
    Die Bürger von Revere waren auf die Schlacht aufmerksam geworden; der Stadthauptmann hatte vorsichtig ein paar Männer auf Erkundung geschickt. Revere besaß eine Schwesterstadt auf der anderen Seite des Stroms, Ostiglia, und auch von dort waren Männer flussaufwärts patrouilliert. Diesen Männern liefen die Flüchtlinge in die Hände und wurden in Sicherheit gebracht.
    »Das kleine Mädchen, um das Enrico sich gekümmert hatte … Felicità«, sagte Magdalena. »Das du gerettet hast … ein Bürger von Ostiglia hat sie in sein Haus aufgenommen. Ich glaube nicht, dass sie sich überhaupt an Enrico erinnert, aber das spielt keine Rolle – ohne ihn wäre sie in ihrem Heimatdorf umgekommen. Du hast sie wiederbelebt, aber er hat ihr das Leben gerettet.«
    Lorenzo nickte. Er stand da, halb von ihr abgewandt, mit beiden Händen am Gierseil, und schien dem Wasser zuzusehen, das vor ihnen davonlief auf dem Weg zum Meer.
    »Radegundis und Verruca waren ein paar Tage lang ein Liebespaar, kannst du dir das vorstellen? Ich fürchte, Verruca hatte dabei nicht viel zu sagen. Wusstest du, dass Verruca in Wirklichkeit Giovanni heißt und die Männer ihn Verruca nannten nur wegen einer winzig kleinen Warze, die er auf einer seiner Pobacken hat?«
    »Wie ich sehe, hat Radegundis kein Detail ausgelassen in ihrer Beichte an dich.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. Ihr Herz klopfte bei der trockenen Bemerkung, die sich eher nach Lorenzo Ghirardi anhörte als der einsilbige, unsichere Tonfall des Fährmanns.
    »Nun«, sagte sie, »nicht sie hat bei mir gebeichtet, sondern ich bei ihr. Ich bin abtrünnig geworden, nicht Radegundis. Sie ist wieder zurückgegangen ins Kloster. Sie sagte, sie habe die Kraft entdeckt, die Gott einem schickt, der sich ihm voll und ganz verschreibt, und dass sie diese Kraft nutzen wolle, um Gutes zu tun. Verruca war am Ende, als sie ihm ihren Entschluss mitteilte, aber ein Teil seines Herzens war wahrscheinlich erleichtert. Sie mochte
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