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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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hatte. Was soll ich hier noch?«
    Radegundis’ Augen blitzten. Sie griff mit einer Faust in Verrucas Haar und zog seinen Kopf zu sich heran. »Sie waren alles, was du hattest?«, schrie sie. »Und was ist mit dem Geschenk, das ich dir gestern Nacht gemacht habe? Hast du das nicht? Hast du es schon vergessen? Es war alles, was ich hatte, und ich habe es dir gegeben, und jetzt willst du es wegwerfen? Ich habe dir das Mädchen, das ich war, zum Geschenk gegeben, und ich werde nie wieder dieses Mädchen sein, doch ein bisschen von ihr lebt jetzt in dir, und du willst sie töten, indem du dich töten lässt?« Sie schüttelte ihn. »Das werde ich nicht akzeptieren!«, tobte sie.
    Verruca starrte sie an und stotterte. Radegundis fühlte eine Hand auf der Schulter. Sie fuhr herum und sah Clarice Tintoris erschöpftes Gesicht.
    »Der Wagen entgleitet uns«, sagte sie.
    »Komm mit, du Vollidiot!«, schrie Radegundis und schleppte Verruca hinter sich her, der mit dem Kopf unter Wasser geriet und hustend und spuckend wieder auftauchte. Er machte sich von ihr los und planschte hektisch zurück zum Wagen. Das schwarz verräucherte Wrack drehte sich in der Strömung und drohte, von der Furt weg in tieferes Wasser getrieben zu werden. Sie stemmten sich dagegen und kämpften und zerrten und rissen an dem Gefährt. Mittlerweile waren nur noch sie im Wasser: Radegundis, Immaculata, Clarice, Verruca, die zwei Dörfler, die ihnen beistanden, und die reglose Magdalena auf dem Wagenskelett. Alle anderen hatten das jenseitige Ufer erreicht und krochen an der Flanke des Damms empor oder blieben auf dem Trockenen liegen, wo sie es erreicht hatten. Niemand kam zurück, um ihnen zu helfen. Radegundis hätte es auch nicht erwartet. Sie drückte und strampelte, um den Wagen zurück auf die Furt zu bekommen, und rutschte aus und fiel ins Wasser; ihr Griff löste sich vom schlüpfrigen Holz, ihre Füße fanden auf einmal keinen Grund mehr, und mit einem Ruck fuhr die Erkenntnis durch ihr Hirn, dass sie nicht schwimmen konnte. Sie streckte die Hände aus, aber es gab nichts, woran sie sich festhalten konnte, und sie ging unter.
    Zwei Fäuste packten sie und zogen sie wieder nach oben, zerrten sie zum Wagen, bis sie sich daran festklammern konnte. Sie spuckte Wasser und blinzelte. Verruca und Clarice Tintori waren zu ihren beiden Seiten. Radegundis hustete und würgte und nickte ihnen zu. Clarices Augen ließen die ihren nicht los.
    »Glaubst du das wirklich?«, flüsterte sie. »Alle sind tot?«
    Radegundis machte ein grimmiges Gesicht.
    »Auch … Corto?«
    Radegundis spürte den Widerstand, als die Räder des Wagens im Schlamm am anderen Ufer Halt fanden. Sie stemmten sich ein und schoben ihn weiter. Der Wagen holperte und polterte über lose Steine.
    »Corto … Urso … Enrico … wen du willst. Was glaubst du, warum wir keine Schüsse mehr hören?«
    Clarice begann zu weinen. Radegundis seufzte und sah zu Verruca, über dessen Gesicht ebenfalls Tränen liefen.
    »Lorenzo?«, hörte sie das Flüstern.
    Sie ließ die Schultern sinken. »Tot wie alle anderen«, sagte sie und drehte sich zu Clarice um. Die junge Frau hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und weinte lautlos. Radegundis blinzelte verwirrt und verstand, dass es nicht Clarice gewesen war, die gesprochen hatte. Sie sah sich um. Sie begegnete den Augen Magdalenas, die sich auf die Seite gerollt hatte und sie mit unfokussiertem Blick anstarrte.
    »O mein Gott«, sagte Radegundis.
    Magdalena schloss die Augen wieder und begann zu schluchzen.

Kapitel 49.
    N iemand nahm von Buonarotti und Pietro Notiz, die über das Schlachtfeld krochen und jedem Toten ins Gesicht schauten. Die Schwarze Schar kümmerte sich zuerst um ihre eigenen Leute, trug die Toten auf einen Haufen und die Verletzten auf einen anderen. Weder um die einen noch um die anderen bemühte sich jemand. Pietro hatte einen Blick mit Buonarotti gewechselt, als ihnen klar wurde, dass den Verletzten keiner beistehen würde. Dann hatte sich Buonarotti abgewandt und den nächsten Toten umgedreht, und Pietro hatte kein Wort mehr darüber verloren.
    T. G. saß abseits unter den Überlebenden seiner eigenen Truppe und stöhnte und fluchte. Der Sturz vom Pferd hatte ihm das Nasenbein zerschmettert und ein paar Zähne ausgeschlagen. Pietro überlegte, dass der Mann vermutlich wie Buonarotti aussehen würde, wenn die Verletzungen verheilt waren, doch er verzichtete darauf, Buonarotti dies mitzuteilen.
    Schließlich waren sie durch.
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