Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
über das Feld stürmte, hatte er sich mit seinem Tod abgefunden. Er hatte deshalb nicht weniger Angst, aber er sträubte sich nicht mehr gegen den Gedanken. Er rannte zwischen Corto und Enrico, seine Pike im richtigen Winkel in die Höhe haltend, die Waffe wippend und in seinen Händen zuckend, auf die kleine Armee zu, die ihnen gegenüberstand. Er hörte nur seinen eigenen rasenden Atem und seinen Herzschlag, und seine Haut prickelte bei dem Gedanken, dass jeden Moment die Schüsse aus den Gewehren losbrechen und die Kugeln seinen Körper in Fetzen reißen würden. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er sah die Gegner stolpern und ihren langsamen Vorwärtsmarsch durcheinandergeraten, und als er noch näher war, sah er, dass sie die Gewehre nicht im Anschlag hatten, sondern hektisch bemüht waren, sie zu laden. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Enrico plötzlich nach links abbog und Corto nach rechts. Er sah, wie eine Gestalt an ihm vorbeistürmte und ihn auf seinem geraden Weg in die Linie der Gewehrschützen überholte – Urso, mit wirbelnden Äxten. Dann war er mitten unter den Männern, in der Bresche, die Urso geschlagen hatte. Gedämpft hörte er die Wut- und Schmerzensschreie und verlor jedes Gefühl außer für die Bewegungen, die er machen musste, um sich die Feinde vom Leib zu halten, seinen ganz speziellen Tanz, seine ganz spezielle Handhabung der Pike, die herumschwang und vor ihm auftauchende brüllende Gesichter wegfegte, die wie eine Sense über den Boden wischte und heranstürmende Gegner von den Füßen holte, die zustieß und hackte und drosch und zerschmetterte und ihn durch die Schützenkompanie trug, dass er drüben im Freien ins Stolpern geriet. Hinter ihm gellte Gebrüll. Er sah Urso, der getreu Cortos Befehl abschwenkte und hinter den Linien entlangrannte, die ersten Verfolger schon im Nacken. Er sah den Mann auf dem Thronsessel stehen und einen Arm in die Höhe reißen, und dann sah er Corto, der am rechten Flügel auftauchte, und Enrico, der eine erbeutete Armbrust abfeuerte und mit seinem akrobatischen Purzelbaum seine eigene nachspannte, während ein paar Bolzen über ihn hinwegzischten. Der Rest des Wolfspacks kam über das Feld. Noch immer war kein Schuss gefallen, doch jetzt kamen die ersten Gewehre in Anschlag. Lorenzo sah Cortos Blick und stürzte zurück in die Schützenkompanie.
    Die erste Salve knatterte. Enrico versuchte, etwas zu erkennen. Keiner von den auf den Kampfplatz stürmenden Wölfen taumelte oder brach zusammen. Jeder Schuss war fehlgegangen. Lorenzos Pike mähte eine Schneise in die Schützenkompanie. Von dem Angriffsflügel, in den Enrico hineingefahren war, rannten die ersten zornigen Landsknechte auf ihn zu. Enrico sah sich um und beschloss, in die unwahrscheinlichste Richtung zu rennen: auf Konrad von Landau zu. Er drehte sich im Laufen um und feuerte die erbeutete Armbrust ab, und einer der Verfolger stürzte. Enricos eigene Armbrust war gespannt. Ohne anzuhalten, legte er einen neuen Bolzen ein. Etwas schwirrte an ihm vorbei, und er schlug einen Haken in die Schussbahn des Etwas hinein, und ein zweites Etwas sauste dort an seinem Ohr vorbei, wo er gewesen wäre, wäre er so ausgewichen, wie es jeder andere Mensch getan hätte. Er hörte jemanden kichern und stellte fest, dass er es selbst war. Konrad von Landau auf seinem Thronsessel war nur noch eine kurze Strecke entfernt. Enrico hob seine Armbrust und lachte laut. Drüben bei der Schützenkompanie hatte Lorenzo es geschafft, den Rest jeglicher Kampfordnung zu zerstören. Weitere Wölfe trafen ein und warfen sich in das Getümmel. Konrad von Landaus bleiches Gesicht schwebte scheinbar erstarrt über der Rinne der Armbrust. Enrico hatte nie gedacht, dass es dazu kommen würde, dass er, der sich von Corto hatte bewusstlos schlagen lassen müssen, um die Schwarze Schar zu verlassen … dass er es sein würde, der diesem Ungeheuer sein Ende bereitete. Für diese Aussicht stellte er alles hintenan. Das Gesicht des verwaisten Kindes, Felicità, tauchte vor seinem inneren Auge auf und mit ihm der Gedanke, den er seit gestern zu träumen gewagt hatte: dass er sie zu sich nehmen und für sie sorgen und ihr ein zweites Leben schenken würde. Doch selbst diese Aussicht schien nichtig im Vergleich zu der Möglichkeit, Konrad von Landau von der Erde zu tilgen. Ohne auf seine Verfolger zu achten, blieb er stehen und zielte sorgfältig.
    Cortos Pike hatte jemand mitten durchgehauen, aber mit zwei halben Piken war Corto
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher