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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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womöglich ein noch tödlicherer Feind als zuvor. Wem die Spitze an der einen Hälfte nicht durch den Leib fuhr, dessen Knochen zerschlug der Eisenschuh an der anderen Hälfte. Corto hatte sich gleich Lorenzo wieder in das Kampfgeschehen gestürzt, anstatt die Flucht anzutreten. Als die erste Salve ausgeblieben war, hatte er die Chance erkannt, dass die Wölfe unverletzt den Kampfplatz erreichen konnten, wenn sie nur verhinderten, dass der Widerstand der überraschten Schwarzen Schar sich zu schnell formierte. Die Gegner in seinem Flügel waren erfahrene Scharmützler, Gassenhauer und Nahkämpfer, anders als die Schützen, die sich zu sehr an ihre Zaubergewehre gewöhnt hatten. Cortos Angriff wurde zurückgedrängt, er verlor Boden, stolperte zurück. Ein Mann vor ihm hob plötzlich eine kleine Armbrust, die mit einer Faust bedient werden konnte, und zielte auf Corto. Corto trieb ihm die Spitze seiner Pike durch den Leib, ließ sie stecken, riss ihm die Armbrust aus der Hand und feuerte auf den Landsknecht direkt dahinter. Er ließ die Armbrust fallen und zerrte dem auf die Knie gefallenen Mann vor sich die Pike wieder heraus. Jemand sprang von links auf ihn zu, zwei hasserfüllt zusammengekniffene Augen in einem verzerrten Gesicht, ein Haumesser zwischen den Zähnen und zwei Hiebäxte um die Handgelenke wirbelnd – der Eisenschuh der zweiten Pikenhälfte wischte das Gesicht beiseite, das Haumesser flog davon und überschlug sich blitzend. Für einen Moment stand Corto frei. Sein Atem pfiff. Er sah, wie Lorenzo sich aus der Schützenkompanie herausarbeitete und wie Enrico auf Konrad von Landau zustürmte, Haken schlagend wie ein Hase. Seine Männer prallten in die aufgelösten Karrees, und die Linien wurden ein paar Schritte weit zurückgeworfen. Dann sah er den Mann mit der langen Pike auf sich zustürzen. Es war Georg Vogler. Die Spitze der Pike war gesenkt und zielte auf Cortos Leib. Corto war, als hörte er eine knöcherne Stimme neben seinem Ohr sagen: ›Nun bist du an der Reihe.‹ Er brüllte wütend, schaffte eine halbe Drehung, die beiden erhobenen Hälften der Pike kamen herunter und überkreuzten sich und drängten die Spitze der angreifenden Pike nach unten. Die Spitze drang in den Boden ein und rannte sich fest, und aus seiner gebückten Haltung heraus spähte er am bebenden Schaft der Pike entlang in die aufgerissenen Augen Georg Voglers, in die schlagartig die Erkenntnis drang, dass dies für einen Pikenier die lächerlichste Art zu sterben war.
    In diesem Augenblick brachen die Reiter aus dem Gebüsch, donnerten in einer Linie hinter Konrad von Landaus Thronsessel vorbei. Ihr Anführer war T. G. Er hielt eine gespannte Armbrust in der Faust. Konrad von Landau senkte den erhobenen Arm. T. G. riss am Zügel und zielte mit der Armbrust auf Lorenzo, der eben begann, sich umzudrehen.
    Enrico schwenkte seine Waffe herum. Er senkte den Daumen. Der Bolzen fällte das Ross des vorderen Reiters. Es überschlug sich und warf seinen Reiter in einem weiten Bogen ab. Der Schuss auf Lorenzo fuhr in den Boden. Die anderen Pferde konnten nicht schnell genug ausweichen und rannten in das sich aufbäumende Tier hinein. Weitere Pferde stürzten. Enrico schwenkte die Armbrust wieder zurück zu Konrad von Landau. Er sah ihm in die Augen. Mit einem Gefühl, das zum einen aus überwältigendem Bedauern wegen der verpassten Chance bestand und zum anderen aus dem befriedigenden Gedanken, seine Schuld bei Lorenzo eingelöst zu haben, spitzte er die Lippen, senkte den Daumen auf den unnützen Hebel und sagte: »Plopp!« Konrads Augen zuckten. Enrico grinste.
    Dann bückte der Anführer der Schwarzen Schar sich, und als er wieder hochkam, hielt er eines der teuflischen Gewehre in der Hand. Er legte es auf Enrico an und drückte ab.
    Corto umklammerte die vordere Hälfte seiner Pike mit beiden Fäusten. Er spürte, wie das Blut, das daran herunterlief, seine Finger verklebte. Er trieb Georg Vogler vor sich her, der die Pike ebenfalls hielt und versuchte, sie sich aus dem weichen Fleisch an der Unterseite seines Kiefers zu ziehen, wo Corto sie hineingerammt hatte. Vogler lallte und geriet immer mehr ins Stolpern. Er starrte in Cortos Augen, ohne zu blinzeln.
    »So hätte ich mich damals von dir verabschieden sollen«, stieß Corto hervor. »Leb wohl, capitano Macello!«
    Vogler gurgelte. Seine Hände rutschten ab. Corto rammte die Pike nach vorn. Voglers Beine sackten weg. Corto ließ die Pike los. Vogler fiel auf den Rücken,
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