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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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Sie sahen sich gleichermaßen erleichtert und besorgt an.
    »Nicht dabei«, sagte Pietro. Er hob die hintere Hälfte einer Pike auf und betrachtete die Bruchstelle. Neben ihnen lag ein Toter auf dem Rücken, dem eine abgebrochene Pike aus dem Hals ragte. Pietro hielt die Bruchstellen aneinander. Sie passten. Er seufzte und warf seine Hälfte ins Gras.
    Zwei Mitglieder der Schwarzen Schar traten wortlos heran und fassten den Leichnam an Schultern und Füßen. Buonarotti machte einen Schritt beiseite, aber nicht weit genug, um die beiden nicht noch absichtlich zu behindern. Sie warfen ihm Seitenblicke zu, doch sie sagten nichts. Sie schleppten den Toten weg.
    »Du kannst sie natürlich ärgern, womit du willst«, sagte Pietro.
    Buonarotti trat beiseite und sah Pietro finster an. »Hätten sie das hier sehen sollen?«, fragte er.
    Pietro gaffte. Buonarotti war vom Anfang einer schwach gezeichneten Spur aus zertretenem Gras und Blutspritzern heruntergetreten, die in direkter Richtung auf den Damm zu ins nächste Gebüsch führte.

Kapitel 50.
    I ch kann nicht mehr«, flüsterte Corto.
    »Wir sind gleich da«, stieß Lorenzo hervor und lehnte sich an einen der Bäume des kleinen Waldstücks. In immer kürzer werdenden Abständen wurde ihm schwarz vor Augen. Sein Rücken war ein Schmerz, der jenseits aller Beschreibung war und nur dort noch schlimmer wütete, wo die Bolzen in seinem Körper steckten. Er fühlte, wie ihm das Blut zwischen den Hinterbacken und an den Innenseiten seiner Schenkel hinunterlief. Corto lag auf dem Boden, zuckte schwach und hatte die Augen geschlossen. Lorenzo zerrte ihn am Kragen seines Wamses hinter sich her. Cortos rechter Arm schleifte nach, die Austrittswunde der Kugel in seiner Schulter war ein Krater aus Fleisch und Knochensplittern. Als Lorenzo die Dammkrone überwunden hatte, ging es leichter. Er schleifte Corto hinter sich her, die Flanke des Damms hinunter zum Wasser. Die Dörfler hatten auf ihrer Flucht eine breite Spur aus nasser Erde und Schlamm in den Boden gezogen. Cortos schwerer Körper ließ sich darin schneller vorwärtsziehen.
    Corto stöhnte. »Lass mich in Ruhe«, lallte er.
    »Wir-sind-gleich-da«, ächzte Lorenzo.
    »Wo bringst du mich hin?«
    »Ans Ziel«, sagte Lorenzo.
    Sein Atem rasselte in der Kehle, und sein Herz hämmerte bis in seine Schläfen. Mit einer letzten Kraftanstrengung schleifte er Corto ins Gebüsch. Als er das kalte Wasser an seinen Füßen spürte, sank er in sich zusammen und legte die Stirn auf Cortos Stirn.
    »Welches Ziel?«, flüsterte Corto.
    Lorenzo holte Atem und hob Cortos Kopf, sodass er den Strom sehen konnte. »Wo du immer Schutz gesucht hast«, sagte er.
    »Ich kann nichts mehr sehen.«
    Lorenzo schöpfte schlammiges Wasser in der hohlen Hand und ließ es Corto über die Lippen laufen. Corto leckte sich mit einer grau angelaufenen Zunge über den Mund.
    »Das ist der Po«, sagte er. »Schmeckt man ganz eindeutig.«
    Lorenzo sagte nichts. Er rückte nach vorn, zog die Füße aus dem Wasser und bettete Cortos Kopf auf seine Oberschenkel. Was er sehen konnte, sah er wie durch ein langes Rohr, das jemand anderer hielt und unberechenbar hin und her schwenkte. Corto hob eine Hand und tastete langsam nach der Wunde in seiner Schulter.
    »Ich sehe ja schön aus«, sagte er leise.
    »Mhm.«
    »Sind die Bauern alle entkommen?«
    »Ja«, sagte Lorenzo, der keine Ahnung hatte und dem die Kraft fehlte, sich aus dem Gebüsch zu erheben und über die Furt zu spähen.
    »Und Verruca?«
    »Natürlich.«
    »Die beiden Cantafini-Burschen … sind die auch in Sicherheit?«
    »Ja.«
    »Und die Klosterschwestern?«
    Lorenzo schluckte. »Ja.«
    »Sie wird es schaffen.«
    »Anders als wir.«
    Corto lachte leise. Das Lachen verwandelte sich in ein Husten. Lorenzo beobachtete betroffen, wie blau seine Lippen waren. Seine Augen lagen in schwarzen Höhlen.
    »Wolltest du noch älter werden, Bruderherz? Wer alt wird, wird hässlich.«
    »Ich wäre gern noch ein bisschen hässlicher geworden.«
    »Ja«, hauchte Corto. »Das wären wir alle gern.«
    Er schwieg. Lorenzo spürte, wie sein eigener Geist wegdriftete. Sein Rücken pochte. Der Schmerz war unerträglich, aber er ertrug ihn.
    »Und Clarice?«, fragte Corto zuletzt.
    Lorenzo brauchte eine Sekunde, in der die gepeinigten Räder seiner Gedanken eine schmerzvolle Umdrehung machten. Dann verstand er, weshalb Corto keinen Lösegeldboten weggeschickt hatte, weshalb die aufsässige Clarice letzten Endes immer wieder
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