Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sie Isabella ein. Isabella horchte auf. Maria hatte »Signora« gesagt, nicht »Suor«. Vor ihr stand also eine Adlige aus bestem Hause, Artella Trevisan, wie sie von ihrer Tante wusste, die Priorin des Klosters und damit die Stellvertreterin der Äbtissin.
    In den Gesichtern der beiden Frauen hatte die Zeit hinter Klostermauern, hatten Askese, Gebet und der Gram über die verlorene Freiheit tiefe Furchen hinterlassen und fallende Mundwinkel erzeugt. Isabella wunderte sich, dass sie von Suor Maria der Signora Trevisan und nicht der Äbtissin angekündigt worden war. Doch sie wusste aus Erzählungen, dass die Hierarchien in den Frauenklöstern eigenen Gesetzen folgten.
    Mit einer Stimme, die aus einem Grab hätte stammen können, begann die andere, kleiner, schrumpliger als Signora Artella, zu sprechen. »Ich bin die Äbtissin des Klosters. Suor Immacolata.« Sie reckte das Kinn vor und musterte Isabella von oben bis unten. Dann verschränkte sie die Finger ineinander und fuhr fort. »Du bist Isabella Marosini, die eheliche Tochter Giuseppe Marosinis und seiner Ehefrau Anna?« Isabella nickte nur. »Getauft und gefirmt im wahren Glauben der heiligen Kirche?« Wieder nickte Isabella. »Du bist hier, um in den geistlichen Stand einzutreten!« Das war keine Frage, wie Isabella bemerkte, sonderneine Feststellung. »Die Truhe enthält deine cassa fürs erste Jahr? Sechzig Dukaten!« Jetzt schüttelte Isabella den Kopf. »Die Dukaten fürs erste Jahr habe ich hier«, sagte sie und zog einen Beutel hervor, den sie in den Falten ihres Rockes verborgen hatte. Sie hielt ihn unschlüssig in der Hand. »Außerdem bin ich nur als Pensionatsschülerin angemeldet, als Educanda! «, betonte Isabella. Signora Artella, die bislang nur stumm dabeigestanden hatte, zitierte sie mit dem Wink des Zeigefingers zu sich her und hielt die Hand auf. Zögernd legte Isabella das Geld in die faltige Hand der ehrwürdigen Mutter.
    Vater hatte ihr dieses Vorgehen angeraten, und der hatte wiederum von seiner Schwester erfahren, dass sie so ihre Truhe undurchsucht behalten und mit in ihre Zelle nehmen konnte. »Vergiss deine Familie und das Haus deines Vaters. Leg die Welt ab, und nimm das neue Gewand der Stille und des Trostes. Es ist noch keine Einkleidung, sondern nur ein Zeichen der Demut. Du entsagst für die vorgeschriebene Zeit der Welt. Suor Maria. Die Schere.«
    Jetzt kam der für Isabella schlimmste Teil. Nicht die Tatsache fürchtete sie, dass sie statt ihres weltlichen Kleides ein Habit tragen musste, nicht den Umstand, dass sie ihre Haare unter einem Tuch verbergen musste, sondern allein das Kürzen der Haare. Ihre langen dunklen Locken mussten fallen, wenn sie auch nicht wie eine Novizin geschoren würde. Allein der Gedanke daran ließ die Tränen schießen. Es war, als sprängen sie ihr geradezu in die Augen, obwohl sie als Educanda weder ein vorläufiges Gelübde noch eine Profess abzulegen hatte.
    Suor Maria nestelte an ihrem Habit, und Isabella erkannte im Wasserschleier ihres verweinten Blicks, wie sie unter der Kutte eine Metallschere hervorzog und hinter sie trat. Als sie nach den ersten Strähnen griff, riss sich Isabella los.
    »Nein!«, schrie sie unwillkürlich. »Nicht die Haare. Nicht die Locken!«
    Doch Suor Maria hielt sie fest. Mit einem kräftigen Schnittfielen die ersten schwarzen Haare. Als Isabella die dunklen Strähnen am Boden sah, begehrte alles in ihr auf, was sie bis dahin hinuntergeschluckt hatte, was sie um des Vaters willen zurückgehalten hatte.
    »Niemals!«, schrie sie und riss sich los. Dann stürmte sie zur Tür, die sie mit einer bis dahin noch nie an sich wahrgenommenen Kraft aufriss, dass sie gegen die Wand krachte. Sie stürmte nach draußen, wollte wieder zurück in den Vorraum, stellte jedoch fest, dass der Zugang abgeschlossen war und die Tür keine Klinke besaß. Sofort drehte sie sich um und hastete den Gang entlang, der nach wenigen Metern auf einen Quergang traf, welchem sie rechter Hand folgte. Links und rechts gingen Türen ab, doch alle waren ohne Drücker zum Öffnen. Ihr war, als müsste sie endlos laufen. Links und rechts und rechts und links.
    Urplötzlich stand die junge Frau vor ihr, die sie beim Eintreten bemerkt hatte, und versperrte ihr den Weg. Isabella wollte sie beiseiteschieben, doch die Kindfrau lächelte sie merkwürdig vertraut an und berührte ihre Hand nur sanft mit den Fingern. Sie musste jünger sein als Isabella, denn ihr Gesicht wirkte zart und engelhaft. Die Augen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher