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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
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tun!«, ergänzte die Äbtissin wie nebenbei. »Fahrt fort!« Der letzte Satz war an Suor Maria gerichtet, die bereits wieder eine Haarsträhne in der Hand hielt und mit dem Abschneiden der Locken fortfuhr. Jede Strähne, die zu Boden fiel, bereitete Isabella Schmerzen, sodass ihr die Tränen über die Wangen liefen und Gesicht und Halskragen benetzten. Als Schwester Maria fertig war, streifte sie ihr ein Schleiertuch über, und sie durfte sich in das weiße Gewand der Educanda kleiden.
    »Du kannst gehen«, befahl die Äbtissin und schickte sie mit einer Handbewegung nach draußen.
    »Suor Immacolata, darf ich eine Frage stellen?«, drängte Isabella, bevor sie nach draußen geleitet wurde. Die beiden Alten sahen sich an, dann nickte die Äbtissin. »Ich ... meine Tante ... wollte mich ... sie hat gesagt, sie erwartet mich ... Suor Francesca. Wo finde ich sie?«
    Alarmiert wechselten die beiden Nonnen Blicke, dann räusperte sich die Äbtissin.
    »Mein Kind. Wir müssen stark sein in unserem Glauben. Du wirst die Zelle deiner Tante beziehen. Wenn das erledigt ist, erwarte ich dich hier im Priorat. Zusammen mit Suor Maria. Sie wird dich durch das Gebäude führen. Bedenke, dass in diesen Mauern die Regel des Schweigens gilt. Nur was unbedingt gesprochen werden muss, darf in Redezimmern wie diesem besprochen werden. Geh jetzt!«
    Isabella bewegte sich keinen Fußbreit von der Stelle.
    »Was ist mit meiner Tante?« Die Schwester zerrte sie am Ärmel und wollte sie mit sich führen, aber Isabella widersetzte sich. Signora Artella, die sich bereits wieder zur Äbtissin hinübergebeugt hatte, um mit ihr vertraulich zu sprechen, unterbrach sich und sah auf. Ihr Ton klang scharf. Nichts vom mütterlichen Verständnis für eine Verfehlung war geblieben. »Du wirst dich geißeln, Kind. Gehorsam ist unsere höchste Tugend. Nichtsauf dieser Welt gibt es, das uns den Gehorsam verweigern lässt, es sei denn der Tod persönlich.«
    Isabella war wieder den Tränen nahe. Doch diesmal gab sie dem Zerren der jungen Nonne nach. Die geleitete sie nach draußen und schloss hinter ihnen die Tür. Dann nahmen die beiden Frauen die Griffe der Truhe in die Hand, und Suor Maria führte sie den Gang entlang und sofort durch die nächste Tür nach links.
    »Was ist mit Suor Francesca?«, platzte Isabella heraus. Doch Suor Maria legte die Hand an die Lippen und deutete nach oben. Zwischen Decke und Wand entdeckte Isabella kleine Schlitze. Suor Maria legte die Hand ans Ohr und zog die Augenbrauen hoch. Isabella verstand sofort. Das waren Horchgänge, die in andere Räume führten. Mit ihnen konnte überwacht werden, ob und was im Flur gesprochen wurde.
    Für einen kurzen Moment wurde ihr ganz schwach in den Beinen, als sie begriff, wie sehr hinter diesen Mauern in ihr Leben eingegriffen wurde. Sie setzte die Truhe ab und holte zuerst einmal tief Luft. Dann stützte sie sich an der Wand ab. Der Schwindel, der sie kurz überfallen hatte, verschwand langsam.
    Bald darauf tappten sie, die Truhe zwischen sich, stumm durch die Gänge. Nur einmal glaubte Isabella am Ende des Flurs die Gestalt der Novizin vorüberhuschen zu sehen; sie konnte sich jedoch ebenso gut geirrt haben.
    Sie stiegen die Treppen ins nächste Stockwerk empor und hielten endlich vor einer Tür. Diese enthielt keinen Riegel, keinen Türgriff, sondern wurde nur einfach aufgestoßen. Isabella betrat nach Suor Maria einen Raum, der sich als länglicher Schlauch erwies. In einer Nische neben der Tür brannte eine kleine Öllampe. Ansonsten wurde die Zelle durch ein Fenster erhellt, das erst auf Kopfhöhe begann, sodass man nicht hinaussehen konnte. Ein Stuhl, ein Betschemel und eine Pritsche ergänzten das Mobiliar. In einem Winkel über dem Schemelhing ein Kreuz, darunter lag aufgeschlagen ein Gebetbuch. Der ganze Raum wirkte düster und bedrückend.
    »Das Licht muss Tag und Nacht brennen«, flüsterte Suor Maria. »Das Fenster geht auf den Kreuzgang hinaus. Wenn du den Stuhl unter das Fenster stellst, kannst du nach draußen sehen.«
    Eines wusste Isabella sofort, als sie diesen Raum betreten und ihre Truhe unter das Bettgestell geschoben hatte: Hier würde sie nicht bleiben!
    »Meine Zelle ist übrigens direkt nebenan.« Die Nonne klopfte mit dem Knöchel gegen die Wand gegenüber dem Bett. Isabella setzte sich auf die Pritsche. Die strohgefüllte Decke knisterte unter ihrem Gewicht, und das grobe Leinen biss ihr in die Haut. Maria ließ sich ihr gegenüber auf dem Schemel nieder.
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