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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
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Reaktion des Patriarchen. Der hatte seinen Wein bereits an die Lippen geführt, verschluckte sich jetzt und musste mehrmals husten. Tatsächlich wurde ihm plötzlich zu warm, und die Decke fiel wie ein Schleier. Darunter kam dermuskulöse Körper eines Mittvierzigers zum Vorschein, wie der Gesandte feststellte.
    »Mit San Lorenzo? Warum nicht mit San Giovanni Laterano oder Spirito Santo?«, versuchte der Patriarch abzulenken, doch der Blick Padre Antonios ließ ihn verstummen.
    Dies war die Auflage, die ihm sein Mentor Hieronymus Aleander mitgegeben hatte: Er müsse dem Patriarchen sagen, dass sie mit San Lorenzo beginnen sollten. Aleander hatte nicht gesagt, weshalb; er hatte nur angedeutet, dass sich in diesem Kloster Dinge täten, die bis über die Grenzen Venedigs hinaus Unruhe verbreiteten.
    »Wir beginnen mit San Lorenzo. Zuvor solltet Ihr mir jedoch berichten, was es über dieses Kloster zu sagen gibt. Wir können das sicherlich bei unserer kleinen Mahlzeit besprechen, Euer Eminenz.«
    Padre Antonio lächelte verbindlich und beobachtete den Bischof von Venedig aus dem Augenwinkel. Dann griff er zu und ließ sich das Essen trotz der Fastenzeit munden. Reisende mussten verköstigt werden – und er war ein Reisender. Nach seiner Schaukelreise in der Gondel hatte sich die Übelkeit verflogen und dem Hunger Platz gemacht.
    Gerolamo Querine lehnte sich zurück. Er zog die Decke auf seinen Schoß, knäuelte sie zusammen und verbarg seine Hände darunter, was einen absurden Bauch aufwölbte. Verlegen räusperte sich der Patriarch mehrmals, dann erschienen die Hände wieder, und mit den Zeigefingern massierte er sich so lange die Nasenflügel links und rechts, bis Padre Antonio die Nerven verlor.
    »Jetzt sprecht schon, sonst ist der Tag vorüber und Zeit zum Abendmahl.«
    Wieder räusperte sich der Patriarch, dann hörte Padre Antonio ihn flüstern:
    »Ich weiß nicht recht, was Ihr zu hören wünscht. San Lorenzo
ist eines der ältesten Frauenklöster der Stadt. Gegründet imJahre 854 nach der Geburt des Herrn. Es beherbergt vor allem Frauen aus venezianischen Adelsfamilien, doch auch wohlhabende Handwerker können ihre Töchter dort ... dort ... in den geistlichen Stand treten lassen«, begann er. »Allerdings geht von diesem Kloster der Ruf aus, recht großzügig im Umgang mit Gottes Geboten zu sein.«
    Der Nuntius schob sich ungerührt zwei Oliven gleichzeitig in den Mund. Ein Zeichen der Maßlosigkeit, das er sofort bereute, als er sah, wie der Bischof seiner Gabel nachblickte. Tatsächlich hatte sich Padre Antonio bereits selbst ein erstes Bild von San Lorenzo gemacht. Deshalb hatte er letzte Nacht zur Vigil dort die Psalmen gelesen und einen Eindruck von dem Verhalten der Nonnen gewonnen, die in ihrem Chor geschnattert hatten wie die Gänse, statt ihrer Schweigepflicht nachzukommen. Aber war es dort wirklich schlimmer als in anderen Klöstern der Stadt?
    »San Lorenzo ist eine gute Wahl!«, eröffnete er dem Patriarchen. »Das ehrwürdige Alter und das Ansehen des Klosters bieten eine gute Basis für die Observanz, die Missstände einen guten Hebel, um daran anzusetzen.«
    »Dann beginnen wir eben mit San Lorenzo«, bestätigte dieser mit einem verkniffenen Zug um den Mund.
    Padre Antonio war zufrieden und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Sein Jagdinstinkt war geweckt. Er witterte Beute.

KAPITEL 3 Suor Maria bückte sich und hob die Truhe an einem der Griffe an. Isabella blieb nichts weiter übrig, als den zweiten Griff zu nehmen. Unhandlich war sie, jedoch nicht allzu schwer. Gemeinsam schleppten sie die Truhe ins Innere und stellten sie vor einer nachtdunklen Tür ab. Sie schien so alt zu sein wie das Kloster selbst und wies Risse und Schrunden auf, als wäre sie gealtert wie Haut.
    Am Ende des Ganges stand eine Novizin, kenntlich an ihrem weißen Habit, und sah zu ihnen herüber. Sie lehnte gegen die Mauer und kaute unablässig auf ihrer Unterlippe herum. Unter ihren Augen wölbten sich dunkle Schatten, als hätte sie tagelang nicht geschlafen. Voller Neugier sah sie zu ihnen herüber.
    Mit einem Wink der Hand verscheuchte Suor Maria die junge Frau, die sich nur widerwillig trollte.
    Verlegen blickte Suor Maria Isabella an, als wolle sie sich für das Verhalten der Novizin entschuldigen, bevor sie klopfte. Dann trat sie ein. Zwei ehrwürdige Mütter saßen einander gegenüber im Raum an einem Tisch und begrüßten die Ankömmlinge. »Die Neue, Signora Artella!«, führte
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