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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
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den Löwenkopf aus Bronze in die Hand nahm und damit gegen die Tür schlug, staubten die feinen Kristalle und funkelten im Licht.
    Eine unsichtbare Hand öffnete die Pforte.
    Giuseppe Marosini zögerte, dann trugen der Lehrling und er zuerst Isabellas Truhe in den Vorraum und stellten sie dort ab. Danach kehrten sie vor die Pforte zurück. Dort wartete Isabella noch.
    »Ich ... «, begann ihr Vater unsicher und streckte ihr die Handhin, doch Isabella wollte sich nicht verabschieden. Sie betrat den Vorraum, ohne sich nach ihrem Vater umzudrehen.
    Die Tür schlug hinter ihr zu. Für eine kurze Zeit stand sie abgeschnitten von allem zwischen zwei Welten allein im Dunkeln, noch geblendet von der Sonne, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Noch hatte sie die alte Welt nicht verlassen und ebenso die neue Welt nicht betreten. Hier, in dieser Zwischenwelt, hätte sie bleiben wollen, wenn es nicht ein derart trister Ort gewesen wäre: ein niedriger, kahler, sicher vor langer Zeit hell getünchter Raum, dessen Ecken von Spinnweben erobert worden waren.
    Nur über dem Zugang prangten die farbigen Überreste eines Marienbildes. Es stellte die Verkündigung dar. Der Engel des Herrn kniete vor Maria. Die Muttergottes, überrascht vom Auftauchen des göttlichen Boten, erhob sich von einem Schreibpult, an dem sie gesessen hatte. Die abblätternde Farbe hatte aus dem gütigen Gesichtsausdruck der Gottesmutter eine verärgerte und gequälte Miene gemacht. Die Jungfrau bauschte ihren blauen Mantel auf, als wollte sie dem Engel den Blick auf ihr Pult verwehren. Sie hielt eine Schreibfeder in der Hand. Auf dem Pult lag der Schlüssel, der die Hausfrau auszeichnete. Zwischen dem Engel und Maria schlängelte sich ein Spruchband gen Himmel, dessen Inhalt kaum mehr zu lesen war, dessen erste Worte jedoch so gar nicht zum Bild passen wollten: » No... me tan... « , konnte sie lesen und wusste im ersten Moment nicht, wie sie ihn ergänzen sollte. Noli me tangere? Das passte allenfalls zur Geschichte des ungläubigen Thomas. Sie hätte einen anderen Spruch erwartet.
    Doch ihr Aufenthalt in diesem Vorraum währte nicht lange. Ein Klacken beendete ihr Sinnieren und verkündete, dass ein Schloss entriegelt worden war. Die Tür vor ihr schwang auf, und eine Klosterschwester erschien. Ein mondrundes Gesicht sah ihr entgegen, gänzlich umrahmt von einem Schleier, der selbst das Kinn verdeckte. Dunkle, leicht vorgewölbte Augenmusterten Isabella, und die vollen Lippen empfingen sie mit einem traurigen Lächeln, das sie sofort verunsicherte.
    »Ich bin Suor Maria.« Eine Kopfbewegung lud Isabella ein weiterzugehen. Sofort war sie gezwungen, zu dem halb zerstörten Fresko hochzusehen. Maria als Verkünderin einer neuen Botschaft, die mit dem Eintritt ins Klosterleben in Einklang stand. Deshalb vielleicht auch dieser ungewöhnliche Spruch.
    »Wo ist meine Tante? Wo ist Suor Francesca?«, löste sich eine Frage aus ihrem Mund.
    Die Augen der Schwester weiteten sich, Tränen füllten das Weiß der Augenwinkel.
    »Was ... was ist denn? Was habt Ihr, Suor Maria?« Eine dunkle Vorahnung ließ Isabellas Stimme stocken. Sie musste schlucken, und ein säuerliches Gefühl wanderte langsam ihre Speiseröhre hinunter bis in den Bauch, um sich dort als Unbehagen breitzumachen.
    »Es ist ... nichts, Isabella Marosini. Es ist ... « Plötzlich brachen Tränen aus den Augen der Nonne. Ihre Unterlippe zitterte und hinderte sie daran weiterzureden.
    »Jetzt redet, Schwester!« Isabella wich keinen Fußbreit von der Stelle. Wenn sie jetzt gesagt hätte, sie wolle umkehren, dann hätte man die Tür zum Konvent hin geschlossen und die Außenpforte geöffnet, und sie wäre hinaus ins Sonnenlicht getreten. »Es ist nichts ...«, flüsterte die Schwester. Sie hatte sich wieder im Griff. »Folgt mir bitte. Suor Francesca ... «, sie stockte, räusperte sich, dann fuhr sie fort, »Suor Francesca erwartet Euch bereits.«

KAPITEL 2 Padre Antonio schlug den Mantelkragen hoch und eilte an diesem unerfreulichen Morgen mit zügigem Schritt auf den Bischofspalast zu. Ihm war schlecht. Musste dieses Geschwür am Schaft Italiens, dieses Venedig, ausgerechnet mitten im Wasser liegen? Er hatte den unverzeihlichen Fehler begangen,sich im Kloster San Giorgio Maggiore einzuquartieren. Beinahe eine geschlagene Stunde hatte der Gondoliere über das unruhige Wasser der offenen Lagune bis nach San Pietro di Castello gebraucht, und Antonio hatte davon jede einzelne Minute
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