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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
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verflucht. Gott sei Dank hatte die Fastenzeit bereits begonnen und sein Magen war leer gewesen, ansonsten hätte er nicht nur einen elenden Anblick geboten, sondern sogar die Fische gefüttert. Er war geboren worden, festen Boden unter den Füßen zu spüren, nicht für diese schwankenden Särge, die sich über ein Element bewegten, das ihm eindeutig feindlich gesinnt war. Feucht, unruhig, abstoßend waren die drei Attribute, die er dieser Stadt geben konnte.
    Dennoch war er ein Jäger – und sobald er mit zwei leichten Sprüngen die Treppe hinauf zum Portal sprang, witterte er seine Beute. Seine Sinne schärften sich. Der Campanile neben dem Gebäude war teuer mit weiß schimmerndem Marmor verkleidet, vermutlich istrischer Herkunft. Es ließ auf einen erlesenen Geschmack und eine gewisse Neigung zur Verschwendung schließen.
    Padre Antonio wurde am Eingang von einem Mönch in brauner Kutte erwartet, der selbst bei diesen nasskalten Temperaturen barfuß ging. Sein unbestechlicher Blick erkannte sofort die gesäuberten Nägel und den gezupften Bart. Die bloßen Füße wirkten daneben wie eine trotzige Lüge.
    »Padre Antonio?«, lautete die mehr gehauchte als gesprochene Frage des Benediktiners. Der Angesprochene nickte nur und wurde sofort ins Innere geführt. Er hatte diesmal kein Auge für die Fresken und Bilder, für die Teppiche und Wandbehänge, die den Palast ausschmückten und warm einkleideten. Er fror erbärmlich. Dieser Lagunennebel war ihm bis unter die Haut gekrochen und streckte immer noch seine kühle Hand in die Kleidung.
    Als Nuntius des Papstes war er mit geheimem Auftrag zum Patriarchen von Venedig entsandt worden. Auch wenn der Patriarchin dieser Stadt eher eine untergeordnete Rolle spielte, da alle religiösen Feiern und Prozessionen vom Dogen angeführt wurden. Schon deshalb hatten die Herrscher dieses Lagunendorfes ihren Bischof in den Osten der Stadt verbannt. Weitab vom Palazzo Ducale, weitab von der eigentlichen Macht, dorthin, wo er jetzt im Frühjahr und später im Herbst den Stürmen und Unbilden des Meeres am stärksten ausgesetzt war. Selbst die Kriegswerft, das Arsenale, lag zwischen ihm und dem Zentrum Venedigs.
    Padre Antonio wurde in einen Raum geführt, in dem ein Kaminfeuer vor sich hin glühte. Auch der Bischof schien zu frieren, denn er hatte es sich unter einer schweren Wolldecke bequem gemacht, die sogar seine Arme bedeckte.
    Sein Blick erfasste sofort, dass dies eine reine Inszenierung war. Der Patriarch als alter Mann ...
    »Euer Eminenz?«, fragte Padre Antonio mit einer angedeuteten Verneigung.
    Gerolamo Querine nickte gelassen, musterte ihn ausführlich und kramte dann aus dem Berg an Wolle seine Hand mit dem Ring hervor, damit der Besucher diesen küssen konnte. Padre Antonio beugte sich dem Spiel. Hieronymus Aleander hatte ihm tatsächlich etwas von einem ältlichen Mann mit Gicht und schlechten Zähnen erzählt, während vor ihm ein Kirchenfürst saß, der in der Blüte seiner Jahre stand. Vermutlich war der Bischof, an den sich der alte Bibliothekar noch erinnert hatte, längst verstorben und durch einen anderen ersetzt worden. »Willkommen in der Lagunenstadt. Setzt Euch.« Querine deutete auf einen zweiten Sessel vor dem Kamin. Er betrachtete ihn neugierig von oben bis unten und verzog mürrisch die Mundwinkel. Vermutlich hatte er einen gesetzten und in die Jahre gekommenen Kardinal erwartet, keinen jungen Priester Mitte zwanzig. Padre Antonio setzte sich dennoch und schlug die Beine übereinander, was ihm erneut eine hochgezogene Augenbraue eintrug.
    »Vielen Dank für die Begrüßung. Ich weiß, was Ihr sagen wollt, wenn ich vorab dieses Problem in den Mittelpunkt stellen dürfte. Doch der Heilige Stuhl wünschte eine junge Person, die – wie soll ich sagen – im Netz materieller Zuwendungen noch nicht allzu sehr verfangen ist, unabhängig von den familiären Zwistigkeiten der venezianischen Familien handeln kann und dem Heiligen Vater treu ergeben ist. Die Wahl Papst Clemens VII. fiel überraschend auf mich. Ich bin Absolvent der Universität Paris und Schüler des berühmten Hieronymus Aleander, habe in Bologna gelehrt und war stellvertretender Leiter der Vatikanischen Bibliotheken, berufen wiederum von Hieronymus Aleander, dem jetzigen Erzbischof von Brindisi und Nuntius am Hofe Frankreichs. Außerdem durfte ich – und ich denke, dass dies ausschlaggebend für diese Mission in Venedig war – den jetzigen Nuntius im Jahre 1521 nach Worms begleiten, wo mein
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