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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschieht, für viele von Ihnen traurige, ja tragische Konsequenzen hat …«
    Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Von den Nasenflügeln zogen sich tiefe Furchen zu den Wangen.
    »Machen Sie doch den Ton schärfer.«
    Und wieder Reissners Stimme. Es war die Stimme eines Ertrinkenden, der verzweifelt gegen den Ansturm der Brandung ankämpft: »… helfen weder Zorn noch Trauer, da hilft nur …«
    Soltau flüsterte irgend etwas.
    Und dann sahen sie es alle: Sahen, wie Soltau sich zu Reissner beugt, einem Reissner, der sich über den Tisch krümmt, wie nun auch Wegner herankommt, wie beide Reissners schlaffen Körper in die Mitte nehmen. Soltau hält Reissners Hand fest, die über dessen Schulter hängt. Der Mann scheint kaum gehen zu können, der Kopf liegt auf seiner Brust – und dann verschwinden alle drei hinter einer Metallstrebe …
    »Schalten Sie bloß ab!«
    Das Bild erlosch.
    Linder sah in die Runde. Er preßte den Nagel seines Daumens gegen das Kinn. »Der Mann ist ja krank …«
    Soltau nickte eifrig. »Es muß irgendwas mit der Verdauung sein, Herr Linder. Er war vollkommen fertig. Er hat kein Wort mehr zu uns gesprochen. Er konnte einfach nicht. Jedenfalls war das unser aller Eindruck. Und auch auf dem Flug nach München blieb er völlig – wie soll ich sagen – in sich gekehrt.«
    Krank? dachte Linder. Was ist mit Reissner, verdammt? Irgendwann war da doch eine Geschichte mit einem Unfall. Aber das war vor vielen Jahren. Wieso hat er nie etwas gesagt? Warum, Himmelherrgott noch mal, ließ er sich nicht, wenn er sich mies fühlte, untersuchen? Wieso übernahm er eine derartige Aufgabe? Das war doch alles absurd!
    »Na gut, Herr Soltau, und auch Sie, Herr Wegner – sehen Sie zu, daß Sie feststellen, wo er sich aufhält. Und bitte, informieren Sie mich sofort, wenn Sie etwas rausgebracht haben. Sie können mich auch zu Hause anrufen. Vor allem aber: Halten Sie mit Dr. Reissners Frau Kontakt. Bei ihr muß er schließlich irgendwann mal auftauchen …«
    Auf der Flughafen-Autobahn Erding - München herrschte starker Verkehr.
    Reissner hielt sich auf der mittleren Fahrbahn. Elektronische Leuchtanzeigen, die sich quer über die Autobahn zogen, regulierten die Kolonnen-Geschwindigkeit: 50 Km – 40 Km – 30 Km.
    Der Stau war zu Ende, es ging wieder flott.
    Der große weiße Firmen-BMW der Fünfhunderter-Klasse summte fast lautlos dahin. Aus den Lautsprechern klang Musik. Eigentlich wußte Dieter Reissner gar nicht so recht, wieso er das Radio eingeschaltet hatte. Oder doch? Er hatte gehofft, daß der Bayern-Funk irgend etwas über die Vorgänge in Stollberg, über die Krise bei der Stahlverarbeitung und die Werksschließung bringen würde. Doch wen interessierte das schon in München?
    Nun hüllten ihn die vier Lautsprecher mit klassischer Musik ein; irgend etwas Schwermütiges, Slawisches, sehr Pathetisches – Tschaikowsky vielleicht? Jedenfalls etwas, das er jetzt nicht brauchen konnte, weil es zu sehr seiner Stimmung entsprach. Er kannte die Falle des Selbstmitleids. Es war stets der alte Film, der zu nichts führte als zu Angst und Verwirrung. Was er jetzt brauchte, war Klarheit, nichts als Klarheit.
    Als er den Arm ausstreckte, um die Musik auszuschalten, scherte vor ihm auf der linken Seite ein roter Volvo aus, drängte sich rücksichtslos in seine Kolonne, und Reissner spürte, wie sein Herz nach einem kurzen Entsetzen wie wild zu rasen begann, ihm den Schweiß auf die Stirn und die Schwäche in den Körper trieb.
    Das hast du schon mal erlebt. Vor sechs Jahren. Der Wagen vor dir, dann der Krach … Nein, nicht einmal den bekamst du mit. Das erste, was du wieder aufnehmen konntest, war das Licht der Operationslampen …
    Damals aber hat das ganze Elend begonnen.
    Er lehnte sich zurück und zwang sich, ruhig zu atmen.
    Dann erspähte er eine Lücke, setzte sich auf die ruhige Fahrspur ab und ließ all die Verrückten an sich vorüberrasen.
    Er lehnte den Kopf gegen das Polster. Die Vorstellung war zu Ende. Reissner, der ›Trouble-Shooter‹, hatte sich selbst ins Bein geschossen. Ins Bein? In beide Beine. Und schlimmer noch: Er hatte keine Lust mehr, sie zu gebrauchen. Natürlich müßte er Linder jetzt anrufen. Und sicher würde er toben, er kannte ihn doch. Na und?
    Und Hanne?
    Auch das hatte Zeit. Zuerst kam etwas Wichtigeres.
    Er griff zum Autotelefon und tippte Jans Nummer ein. Er hatte den Termin offen gelassen. Er wußte ja nicht, um welche Stunde sie in München landen würden. Nun
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