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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ständig die Hand am Magen, irgendwie so, als fühle er sich schlecht oder als habe er Schmerzen. Und geredet? Nein, geredet hat er, mit Ausnahme von ein paar Sätzen zu Herrn Soltau, kein Wort. Nicht wahr, Herr Soltau?«
    Der junge Soltau nickte nur.
    »Was Frau Müller sagt, ist vollkommen richtig«, mischte sich jetzt Wegner ein. »Ich versuchte Herrn Reissner ein paarmal anzusprechen, doch es blieb bei nichtssagenden Auskünften. Man werde schon vor Ort sehen, was los ist. Und wir könnten uns ja noch im Hotel unterhalten.«
    »Und dann, im Hotel?«
    »Da wurde nichts draus«, erwiderte Wegner. »Wir sind direkt ins Werk gefahren. Dort hat er sich mit dem Geschäftsführer und seinen Leuten zu einer Konferenz zusammengesetzt. Ich war nicht dabei, Herr Linder. Ich bereitete meine Rede vor. Jedenfalls, wenn ich mir das alles überlege … Dr. Reissner war sehr verändert. Da war nichts von dem alten, zuversichtlichen Reissner festzustellen, den er sonst so drauf hatte.«
    »Herr Linder!« Die Sekretärin meldete sich aus dem Vorzimmer. »Herr Puttkammer ist jetzt da. Soll ich ihn reinschicken?«
    »Hat er die Aufnahme?«
    »Die Überspielung ist beendet. Er bringt die Kassette gleich mit.«
    »Dann soll er kommen.«
    Andreas Puttkammer war der Medienreferent des Konzerns. Was er den meisten der sich ihrer Bedeutung durchaus bewußten ›Entscheidungsträgern‹ in der Führungsetage voraus hatte, war nicht nur sein bayerischer Dialekt, sondern auch die Tatsache, daß er einer alteingesessenen Münchner Familie angehörte. Und das genoß Puttkammer. Er stellte es auch zur Schau, indem er, wo immer er konnte, auf Krawatten verzichtete und statt dessen in Loden und Pullis herumlief und damit die korrekt gekleideten Nadelstreifenherren bis zur Weißglut ärgerte.
    An diesem Tag hatte Puttkammer seinen Gutsherrnauftritt: Graue Schnürsamthosen, hochgeschlossener schwarzer Janker, darunter ein jagdgrüner Seidenjersey.
    Zum ersten Mal seit Beginn der Besprechung zeigte Linders Gesicht den Anflug eines Lächelns.
    »Hat's geklappt, Andreas?«
    Neben Reissner war Puttkammer der einzige aus der Führungsetage, den Linder mit Vornamen anredete. Beruflich war der Typ völlig uninteressant. Solche wie ihn gab's im Dutzend und billiger. Gesellschaftlich aber konnte er gefährlich werden. Linder hatte da seine Erfahrungen.
    »Grüß Gott mit'nand!« Andreas Puttkammer winkte lässig in die Runde und steuerte mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen, der sich bei Freunden zu Hause fühlt, die Fernsehanlage des Büros an. Weder von dem massiven Unbehagen, das im Raum lastete, noch von der Gruppe, die in der Mitte des Teppichs aufgepflanzt wartete, schien er Kenntnis zu nehmen.
    Er nahm die Fernsehkassette, die er mitgebracht hatte, und schob sie ein. »Ist ja lustig. Also wirklich, genau das Gerät, das ich auch zu Hause habe. Na, dann gibt's ja keine Schwierigkeiten.« Er drehte den Kopf: »Klappte übrigens viel besser, als ich dachte, Herr Linder. Ich hab' da 'nen alten Spezi, der war mal Kameramann beim Bayerischen Rundfunk, und den hab' ich dem MDR vermittelt.«
    »Aha«, knurrte Linder ungeduldig.
    »Ist doch gut, wenn man überall seine Leute hat, finden S' nicht?«
    Puttkammer drückte auf einen Knopf. Schneegeflimmer. Dann das erste Bild. Es war gestochen klar. Es zeigte die Einfahrt eines Mercedes auf das Werksgelände. Die Münchner Delegation. Sie steigt aus der schwarzfunkelnden Limousine. Begrüßung durch Bornbacher, den Geschäftsführer. Nun ein Schwenk auf die großen Transparente, die sich hinter dem Werkstor von einem Elektromast zum anderen spannen: S ACHSEN -S TAHL WIRD LEBEN ! – Im Hintergrund Arbeiter. Dutzende, nein, es mögen wohl hundert sein! Sie haben die Schutzhelme auf dem Kopf und zeigen verbissene Gesichter. Einer unter ihnen, vermutlich ein Mann vom Betriebsrat, nimmt das Megaphon vor den Mund.
    »Das interessiert doch nicht, Andreas.«
    »Moment, Herr Linder. Ich weiß, was Sie interessiert.«
    Den leisen, singenden Laut, den der Vorlauf des Gerätes von sich gab, empfand Linder wie einen Zahnarztbohrer. Er betrachtete seine Fingernägel, dann nahm er den runden Kopf kurz hoch: »Was stehen Sie eigentlich hier rum? Setzen Sie sich doch endlich.« Dann starrte er wieder auf die Schreibtischplatte.
    Und da füllte Reissners Stimme den Raum.
    Linder riß den Kopf zurück. Reissner, tatsächlich! Hatte den linken Arm gehoben, den Mund geöffnet, rief: »Ich weiß auch, daß das, was hier
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