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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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närrischen Wettlaufes etwas ganz Außergewöhnliches zu finden.
    Seit ungefähr einer Stunde glich die Alcalastraße einem Strom von Karren und Wagen zwischen zwei Ufern, als welche man die langen Reihen der Fußgänger bezeichnen konnte, die bis an das andere Ende der Stadt marschierten. Alle modernen und alten Beförderungsmittel figurierten in dieser zeitweiligen, lärmenden, alles mitreißenden Auswanderung, von der ehrwürdigen längst überholten Postkutsche bis zum modernen Automobil. Die Straßenbahn war überfüllt, Trauben von Menschen hingen an den Trittbrettern. DerOmnibus nahm an der Ecke der Sevillastraße Fahrgäste auf, während der Schaffner von der Plattform des Daches herabschrie: »Einsteigen!« Mit fröhlichem Geklingel trabten Maultiere daher und zogen Wagen, in denen Frauen in blauer Mantilla und mit blühenden Blumen saßen. Jeden Augenblick ertönte ein Schreckensruf, wenn sie plötzlich einen Straßenjungen mit affenartiger Gelenkigkeit zwischen den fahrenden Wagen hindurch von einem Gehsteig zum anderen laufen sahen. Die Hupen der Automobile tuteten, die Kutscher brüllten, die Zeitungsverkäufer priesen ihre Blätter an, in denen man die Abbildungen und die Geschichte der Stiere, dann die Bilder und Biographien der berühmten Toreros sehen und lesen konnte. Und von Zeit zu Zeit hörte man noch einen Ausruf der Neugierde in dem dumpfen Gemurmel der Menge. Neben den dunkelgekleideten Reitern der Stadtwache sah man auffallend kostümierte Männer auf armseligen Pferden. Die Reiter trugen gelbe Beinkleider, ein goldfarbenes Wams, breite Hüte mit einer starken Quaste. Es waren die Picadores, rauhe Burschen mit wildem Aussehen.
    Die Stierkämpfer fuhren in offenen Wagen und die Stickereien, welche das Licht der Nachmittagssonne reflektierten, schienen die Menge zu blenden und ihren Enthusiasmus anzustacheln. Zufrieden, die Vorüberfahrenden erkannt zu haben, eilten die Leute hastig hinter ihnen her, als ob sie fürchteten, zu spät zu kommen.
    Oben von der Alcalastraße übersah man die breite Verkehrsader in ihrer ganzen Länge. Die Sonne brannte auf die Chaussee herab, welche unter dem Ameisengewimmel der Menge und den dichten Reihen der Wagen nur streckenweisesichtbar war. Zuschauer blickten von den Balkonen der Häuser diesem Heereszug nach, aus der Ferne grüßten, durch die Bäume, welche die Gehsteige von dem Fahrdamm trennten, halb verdeckt, die Berge herüber und ganz unten ragte wie ein Triumphbogen das Tor der Alcalastraße auf, dessen durchbrochene Konturen sich hell vom blauen Himmel abhoben, auf welchem wie einsame Schwäne einige weiße Wolken schwammen.
    Gallardo blieb schweigend auf seinem Sitze und betrachtete mit einem unbeweglichen Lächeln die Menge. Seit dem Gruß an die Banderillos hatte er kein Wort gesprochen. Auch sie blieben stumm und bleich unter der Angst vor dem Unbekannten. Da sie jetzt um sich nur Stierkämpfer sahen, verzichteten sie, weil es unnütz war, auf die zur Schau getragene selbstbewußte Miene.
    Ein geheimnisvoller Einfluß schien der Menge das Nahen der letzten Cuadrilla, welche nach dem Platze fuhr, zu melden. Die Straßenjungen, welche hinter dem Wagen mit Hochrufen auf Gallardo hergelaufen waren, mußten schon lange zurückbleiben, doch nichtsdestoweniger wandten die Leute den Kopf, als würden sie in ihrem Rücken das Kommen des berühmten Stierkämpfers erraten haben. Sie blieben stehen und stellten sich längst des Straßenrandes auf, um ihn besser zu sehen. Unverständliche Zurufe erschollen aus manchen Gruppen, welche auf dem Gehsteig standen. Es waren Beifallskundgebungen. Einige schwenkten die Hüte, andere hoben die Stöcke in die Höhe und winkten mit ihnen, als ob sie grüßen wollten.
    Gallardo antwortete allen mit einem Lächeln, schiensich aber in seinen Gedanken dieser Begrüßung nicht recht bewußt zu sein. Neben ihm saß ein Banderillo, der um zehn Jahre älter war als er und »Nacional« genannt wurde. Er erfreute sich unter seinen Kollegen wegen seiner Freundlichkeit, seines geraden Wesens und seiner politischen Gesinnung einer großen Beliebtheit. »Juan, du wirst dich über Madrid nicht beklagen«, sagte er. »Du hast das Publikum schon für dich«. Doch Gallardo erwiderte, als hätte er ihn nicht verstanden und als wollte er die Gedanken, die ihn beschäftigten, abschütteln: »Mir sagt eine Ahnung, daß es heute heiß hergehen wird«. Plötzlich hielt die Kutsche an. Es kam ein großer Leichenzug daher. Gallardo wurde noch
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