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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition)
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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hässlicher Kobold aus der Unterwelt, der für Satan tanzte. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, flüsterte die krumm gewachsene Frau von vorher ängstlich ihrer Nachbarin zu, doch obwohl sie große Angst hatte, gelang es ihr dennoch nicht, ihren Blick von dem traurigen Schauspiel abzuwenden.
    „Es ist Teufelswerk“, kreischte eine dürre Person nicht weit von ihr entfernt und wies mit dem Finger auf das zuckende Mädchen. „Die Dämonen der Hölle sind in sie gefahren und zeigen endlich ihr wahres Gesicht.“
    Der Zunderhändler war kein gelehrter Mann. Er konnte weder lesen noch schreiben und hatte das Denken über höhere Dinge bisher dem Klerus überlassen. Aber nun beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl, und es war ihm, als ob eine Stimme in seinem Inneren ihm befehlen würde, das Mädchen vor dem lärmenden Mob zu beschützen.
    „Weiß irgendjemand, wer sie ist?“, fragte er und durchbrach damit für einen Moment lang die sich langsam aufbauende ungute Stimmung.
    „Sie ist die Tochter des Tuchhändlers Jean Machaut, der erst vor wenigen Jahren in die Stadt gekommen ist. Sein Haus befindet sich dort drüben in der Kaufmannsgasse“, antwortete eine Frau.
    Ohne sich weiter um die Menge zu kümmern, hob der Kutscher das Mädchen daraufhin hoch und lief mit weit ausholenden Schritten auf die angegebene Gasse zu. Er machte sich große Sorgen um sein Pferd, doch zuerst wollte er das Mädchen in Sicherheit bringen.
    Schon von Weitem sah er das Zunftzeichen des Tuchhändlers, das auf ein Schild neben dem Eingang gemalt war. Noch bevor er klopfen konnte, wurde ihm die Türe bereits von Elsa geöffnet, der nicht entgangen war, dass Marie das Haus verlassen hatte.
    Seitdem hatte sie immer wieder ihre Arbeit unterbrochen und war ans Fenster getreten, um in die Gasse hinunterzusehen, in der Hoffnung, Marie dort zu entdecken, bevor Eleonore ihr Verschwinden bemerken würde.
    Es war noch nie vorgekommen, dass das Mädchen sich den Anordnungen seiner Mutter widersetzt hatte, und Elsa machte sich ernsthafte Sorgen. Ihre Sorge wuchs noch mehr, als sie Marie nun in den Armen des nach Rauch stinkenden und von Ruß geschwärzten Zunderhändlers entdeckte. In seinen dunklen Augen stand die Angst um Marie, aber auch seine Unsicherheit deutlich geschrieben. Die Situation, in der er sich befand, schien ihm allerdings wenig zu behagen.
    Ruhig und bestimmt forderte Elsa ihn auf, ihr zu folgen, und wies ihm den Weg zu Maries Kammer. Behutsam, als wäre sie zerbrechlich, legte der Mann das Mädchen auf das große Bett. Anschließend wurde er von Elsa wieder zur Tür begleitet.
    „Sie ist ein Engel“, begann der Mann, aber Elsa gebot ihm zu schweigen. Warnend legte sie einen Finger auf ihren Mund und lauschte nach unten. Doch zu ihrer Erleichterung drang kein Laut aus den unteren Geschäfts- und Lagerräumen zu ihnen nach oben.
    „Geht jetzt“, wies sie ihn an. „Ich muss mich um Marie kümmern.“
    So leise wie möglich schloss sie die Türe hinter dem Zunderhändler und lief dann zurück in die Küche, wo sie gerade damit beschäftigt gewesen war, das Mittagessen vorzubereiten. Sie stellte den schweren Eisenkessel mit dem Gemüseeintopf zur Seite und machte sich sofort daran, Bitterwurz und Alraune aufzukochen. Dann eilte sie nach oben, um Marie den stärkenden und beruhigenden Trank zu verabreichen. Mit ein bisschen Glück würden Maries Mutter und ihre Schwester nichts bemerken, und Marie würde einer Strafe ob ihres Ungehorsams entgehen.

4
    Elsas Hoffnung wurde jedoch enttäuscht, denn Katharina erschien plötzlich an der Tür der Kammer. Jacques, ihr Verlobter, hatte sich für den heutigen Tag angemeldet, er wollte mit ihrem Vater den anstehenden Hochzeitstermin besprechen, und Katharina war nach oben gekommen, um sich noch ein wenig herauszuputzen und vor allem das kostbare, mit Almandinen verzierte Fibelpaar anzulegen, das er ihr zur Verlobung geschenkt hatte.
    Als sie Marie nun von Krämpfen geschüttelt auf dem Bett liegen sah, verzog sich ihr Gesicht vor Abscheu. Es dauerte nur einen Moment, bevor sie zu begreifen anfing.
    „Sie ist nicht in der Kammer geblieben, wie Mutter es befohlen hat“, bemerkte sie kühl und überlegte, ob diese Erkenntnis von Nutzen für sie sein könnte. Doch dann wurde ihr einmal mehr bewusst, dass sie sich selbst ins eigene Fleisch schneiden würde, sobald sie Marie verpetzte. Denn wenn Jacques auch nur das Geringste davon erfuhr, würde er sie nicht mehr heiraten, das stand
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