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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition)
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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was ihm in die Quere kam. Buden und Stände brachen zusammen, Splitter und Verkaufsgegenstände flogen durch die Luft und verletzten auch Menschen, die nicht unmittelbar die Bahn des Tieres gekreuzt hatten. Mit großen Sprüngen setzte der verängstigte Schecke über Verkaufstische, wich mit Stöcken fuchtelnden Menschen aus und überrannte dafür andere, die nicht schnell genug etwas zur Hand hatten, womit sie das Pferd abwehren konnten, bis es endlich das andere Ende des Marktplatzes erreicht hatte und in eine ruhige Gasse gelangte. Schwer atmend und aus mehreren Wunden blutend blieb es zitternd vor Angst stehen.
    Marie hielt es nicht länger in ihrer Kammer. Ohne weiter darüber nachzudenken, dass es ihr verboten war, das Haus zu verlassen, lief sie die schmale Treppe hinunter und folgte dem Wagen.
    Nach wenigen Minuten erreichte sie den Markt und sah entsetzt auf die Verheerung, die durch den dummen Streich der Gassenjungen ausgelöst worden war. Eine Schneise der Zerstörung zog sich mitten durch den Marktplatz, und überall lagen mehr oder weniger schwer verletzte Menschen auf dem Boden.
    Maries Herz zog sich vor Mitleid zusammen, als sie auf den Zunderhändler zulief, der gerade wieder stöhnend zu sich kam.
    Trotz der Hitze begann sie zu frieren, ihr Atem ging stoßweise, und ihr war zum Weinen zumute.
    Die Blicke der Menschen folgten dem zierlichen Mädchen, dessen außergewöhnliche Schönheit sie sofort in ihren Bann zog. Ihre helle, durchscheinende Haut ließ sie noch zarter wirken, und ihre Bewegungen waren voller Anmut, als sie sich über den schwer verletzten Mann beugte.
    Eine alte Frau bekreuzigte sich mehrmals hintereinander. Sie war ärmlich gekleidet, und die Gicht hatte ihren Rücken so verkrümmt, dass sie ihren Hals verbiegen musste, um geradeaus sehen zu können.
    „Ein Engel ist vom Himmel herabgestiegen“, murmelte sie und fuhr fort, sich zu bekreuzigen, während ihre Blicke dem Mädchen folgten.
    Der Zunderhändler lag hilflos auf dem Rücken und erinnerte an eine fette Küchenschabe.
    „Meine Beine“, schrie er verzweifelt. „Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen.“
    Marie strich ihm mitfühlend über die verschwitzte Stirn, die vom Ruß geschwärzt war, und begann, seine Verletzungen zu untersuchen. Die Haut des Mannes wies schwere Verbrennungen auf und war überall mit Brandblasen überzogen, die an manchen Stellen bereits aufplatzten.
    Mit dem Erwachen aus der Bewusstlosigkeit waren auch die unsäglichen Schmerzen wieder zurückgekehrt.
    Ein gequälter Ausdruck verzerrte seine Züge, verwandelte sich aber in ehrfürchtiges Staunen, als er in die schönen Augen des Mädchens blickte, die dunkel und tiefgründig waren. Auch ihm erschien das Mädchen wie ein Engel.
    „Bin ich im Himmel?“, fragte er heiser. Marie musste lächeln und schüttelte sanft ihren Kopf. Sie spürte, wie die Schmerzen des Händlers von ihrem Körper Besitz ergriffen und ihre Sinne langsam schwanden.
    Im Gegenzug begannen sich die Züge des Zunderhändlers immer mehr zu entspannen, bis das Mädchen schließlich bewusstlos neben ihm zusammensank und wie von unsichtbaren Händen geschüttelt wurde. Ihre unschuldigen, schönen Züge hatten nichts mehr mit der Fratze gemein, zu der sich ihr Gesicht jetzt verzerrte. Heller Schaum rann ihr aus den Mundwinkeln, während immer neue Krämpfe ihre Glieder in bizarr wirkende Zuckungen versetzten.
    Der Zunderhändler erhob sich schwerfällig und strich sich die vom Rauch geschwärzten Haare aus der Stirn. In seinem Gesicht stand ein Ausdruck von Ungläubigkeit geschrieben, als er auf seine Hände herabsah. Seine Schmerzen waren vollständig verschwunden, genau wie die Brandblasen an seinen Händen. Eine nie gekannte Leichtigkeit beschwingte ihn. Es war wie ein Wunder.
    Eine rasch größer werdende Menschenmenge umringte ihn und das Mädchen. In den Gesichtern der Menschen standen Sensationslust und Neugier.
    Ein kleinwüchsiger Narr mit viel zu großem Kopf und spitzen, abstehenden Ohren drängte sich entschlossen nach vorne. Die Zuschauer wichen zurück, als er auf krummen Beinen um das bewusstlose Mädchen herumsprang und obszöne Grimassen in die Menge schnitt.
    Als er sich der Aufmerksamkeit aller sicher war, die er wie die Luft zum Atmen brauchte, begann er in einer übertriebenen Darstellung, die Zuckungen des Mädchens zu imitieren, und stieß dabei kurze, schrille Schreie aus, die direkt aus der Tiefe der Hölle zu kommen schienen.
    Ein bösartiger,
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