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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition)
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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beherrscht.
    Doch Elsa hatte ihre Worte gehört. Mit einer heftigen Bewegung warf sie das Fleisch und die Fische, die sie aus dem Vorratskeller geholt hatte, auf den Tisch und drehte sich dann zu Katharina um.
    „Du solltest dich schämen. Anstatt Mitleid mit deiner Schwester zu haben, denkst du nur an das Gerede der Leute. Aber die würden sich das Maul auch über uns zerreißen, wenn Marie nicht krank wäre, weil sie neidisch auf unseren Reichtum sind, den ihr ja deutlich genug zur Schau stellt“, rief sie aufgebracht und voller Empörung, auch wenn es ihr nicht zustand, die Tochter des Hauses zurecht zu weisen.
    „Marie ist der Schandfleck unserer Familie“, bemerkte Katharina und bedachte Elsa mit einem hochmütigen Blick. Sie war jetzt erwachsen, und Elsa war nur eine unbedeutende Magd, die ihr nichts mehr zu sagen hatte, während sie selbst schon bald eine Gräfin sein würde.
    „Ich werde mit Mutter darüber reden. Sie muss Marie verbieten, das Haus zu verlassen, sonst wird bald niemand mehr etwas mit uns zu tun haben wollen“, setzte sie entschlossen hinzu.
    „Ich will nicht, dass die Leute schlecht über uns reden“, jammerte Agnes mit weinerlicher Stimme.
    Martha legte tröstend einen Arm um ihre Schulter.
    „Du brauchst keine Angst zu haben. Mutter wird nicht zulassen, dass so etwas passiert.“

3
    Marie war gehorsam nach oben in ihre Kammer gegangen, wo sie nun traurig aus dem halb offenen Fenster hinaussah, eine bauliche Neuerung, die längst nicht jedes Haus in der Stadt aufwies und die den neu erworbenen Reichtum ihrer Familie zur Schau stellte. Denn nur wenige Bürger konnten sich ein Fenster aus Glas leisten, durch das man hindurchsehen konnte, als ob es gar nicht vorhanden wäre.
    Katharinas Ablehnung tat ihr weh, obwohl sie ihre Schwester gut verstehen konnte.
    Sie allein war schuld daran, dass ihre Familie ins Gerede gekommen war, und diese Schuld lag schwer wie ein Mühlstein auf ihrer Seele. Nach dem Vorfall in der Kathedrale hatte Katharina sie wütend beschimpft, aber ihre Stimme war dabei vor lauter Angst ganz schrill geworden. Marie hatte es nicht ertragen können, Katharina so voller Angst zu sehen.
    „Die alte Frau hatte solche Schmerzen, ich musste ihr einfach helfen“, hatte sie ihr zu erklären versucht, aber Katharina hatte sie nur verständnislos angestarrt.
    „Was willst du damit sagen?“
    „Ich habe sie geheilt“, flüsterte Marie zitternd. Flehend sah sie Katharina an, in der Hoffnung, dass diese jetzt verstehen würde, dass sie keine Wahl gehabt hatte, doch nach einem Blick in ihr verkniffenes Gesicht wusste sie, dass ihre Hoffnung vergeblich war. Eine Stimme tief in ihrem Inneren hatte sie bisher davor gewarnt, darüber zu reden, aber der Wunsch, Katharinas Zuneigung zu erringen, war für einen Augenblick stärker gewesen.
    Katharina hatte wortlos ausgeholt und ihr so heftig ins Gesicht geschlagen, dass ihre Wange brannte.
    „Wie kannst du es wagen, mir so frech ins Gesicht zu lügen und dann auch noch Gott zu lästern. Gib doch endlich zu, dass du dich nur wichtig machen wolltest.“ Ihre Stimme hatte sich beinahe überschlagen vor lauter Wut.
    „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Hast du verstanden? Du bist nicht ganz richtig im Kopf und außerdem auch noch von Dämonen besessen. Niemand wird jemals etwas mit einer Besessenen wie dir zu tun haben wollen.“
    Der Hass, der in Katharinas Stimme mitschwang, war mehr, als Marie ertragen konnte. Flehend streckte sie Katharina ihre Hand entgegen, doch Katharina hatte sie zur Seite gestoßen und war gegangen.
    Danach hatte sie es nie wieder gewagt, mit jemandem über diese Dinge zu reden, die ihr selbst unerklärlich waren. Eine Weile beobachtete Marie die kleinen Wölkchen, die mit unglaublicher Langsamkeit über den tiefblauen Himmel zogen. Danach wanderten ihre Gedanken wie immer, wenn sie Zeit zum Träumen fand, unweigerlich zur Kathedrale und der Anwesenheit Gottes, der ihr unerreichbar schien. Doch allein der Gedanke, dass es Ihn gab, war ein großer Trost für sie.
    Sobald Marie die Menschen und ihre schmalen Häuser mit Gott und der mächtigen Kathedrale von Bourges verglich, konnte sie sich Seine unermessliche Größe besser vorstellen. Wie gerne hätte sie einmal mit Ihm gesprochen, um zu erfahren, warum Er ausgerechnet sie dafür auserwählt hatte, den Menschen ihre Schmerzen zu nehmen. Oder bildete sie sich das alles nur ein? War sie vielleicht doch nicht ganz richtig im Kopf, wie Katharina
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