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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue
Autoren: Pierre Bellemare
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ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er schien ihnen die Lektion, die sie ihm gerade erteilt hatten, nicht einmal übel zu nehmen. In den darauf folgenden Tagen sammelte er alle Zeitungsartikel über die Kette zusammen und begab sich mit ihr nach Paris. Dort ging er sofort zu einem anderen »Geschäftsmann« seiner Freunde, der gerade damit beschäftigt war, für einen reichen Amerikaner eine Sammlung von Kunstwerken zusammenzustellen.
    Evroneau unterbreitete dem Geschäftsmann den Vorschlag, ihm die Kette abzukaufen und sie in die neue Sammlung des Amerikaners aufzunehmen. Doch hatte auch dieser Händler Zweifel an der Echtheit des Schmuckstücks, das auf so merkwürdige Weise gefunden worden war. Um die Zweifel zu zerstreuen, zeigte ihm Evroneau alle Zeitungsartikel über die Geschichte, die Fotos der Arbeiter vor den Bombenkratern und die von dem Grundstückseigentümer verfasste Vereinbarung, an dem Erlös der Kette beteiligt zu sein. Dies alles ergab ein schönes Bild und unter den gegebenen Umständen fand der Makler, obwohl er selbst nicht ganz überzeugt war, den Kauf der Kette recht verlockend. Ausgestattet mit Referenzen, um seinen texanischen Sammler zu überzeugen, verkaufte er diesem dann auch die Kette. Der texanische Kunde stellte fortan voller Stolz das galloromanische Unikat, das aus einem Bombenkrater in der Normandie geborgen worden war, in seinen Vitrinen aus.
     

Prachtvolle Milchkühe
     
    Frankreich, 1950. Vater Dubourg, Besitzer des Mühlenhofs in Enfreville-les-Bœufs im Calvados, war ein bodenständiger normannischer Bauer. Er geizte mit Worten und auch mit anderem. Wenn man ihm indiskrete Fragen stellte, sagte er in seinem originellen Akzent: »Weiß nicht« und wenn man Geld von ihm verlangte: »Hab kein Geld«. Aber da er Milchkühe züchtete, die in der Gegend berühmt waren, hatte er Geld. Er war Eigentümer eines prächtigen Viehbestands, den er von seinem Vater und dieser wiederum von seinem Großvater geerbt hatte. Die schönen Tiere hatten auch klangvolle Namen: Caroline I., Caroline II., Fifine, Maryvonne, Doucette et cetera. Es waren prachtvolle, wohl genährte normannische Kühe mit sanftem Blick, die wunderbar sahnige Milch gaben. Dies war auch der Grund, weshalb die Kühe von Vater Dubourg berühmt waren, denn die Kühe mit den klangvollen Namen waren preisgekrönte Milchkühe.
    Seit langem führte Vater Dubourg seine Lieblinge bei verschiedenen landwirtschaftlichen Wettbewerben vor und seit mehreren Jahren bat er die Inspektoren der Milchproduktion, in regelmäßigen Abständen die Milchmenge zu überprüfen, die seine Kühe produzierten. Doch sollten sie nicht nur die Menge untersuchen, sondern auch die Qualität, den Rahmgehalt, das heißt den Gehalt an cremiger Sahne und ihre Eignung, sich in köstliche Butter verwandeln zu lassen. Seit Jahren heimste Vater Dubourg immer wieder Auszeichnungen für seine Milch, für seine Kühe, für seine Zuchtbullen mit den kraftvollen Namen »Séducteur«, »Vigoureux« und »Artaban« und für seine Jungkühe und Kälber ein. All dies spiegelte sich in Diplomen wider, die er mit schönen Rahmen versah und im Haus, am Stall und rund um das Eingangstor aufhing.
    Vater Dubourg verlangte wegen seines guten Rufs höhere Preise für seine Milch, seine Kühe, seine Jungkühe und seine Zuchtbullen. Dies brachte ihm eine Menge guter Franc ein, die er im Waschkessel aufbewahrte. Allerdings tauschte er sie vorher gegen Goldstücke ein. Das Geld sollte als Mitgift für seine einzige Tochter Ermeline dienen, wenn sie den Mann gefunden haben würde, der würdig war, Nachfolger von Vater Dubourg zu werden und die Viehzucht fortzuführen.
    Seit Jahren waren die »Dubourg«-Kühe im »Herd Book normand« registriert. In diesem großen Buch wurden die Stammbäume der schönsten normannischen Tiere festgehalten und damit die Erwartungen an die Kälber und Bullen, den künftigen »Séducteur«, »Vigoureux« und »Artaban« gerechtfertigt. Vater Dubourg galt als besonders geschickter und sorgfältiger Züchter, doch stand er seit einigen Monaten im Mittelpunkt aller Diskussionen, vor allem beim Nationalen Milchuntersuchungskomitee. Caroline II., eine prachtvolle Kuh, schien alle Rekorde zu brechen. Wöchentlich produzierte sie achtzig Kannen Milch, was sie zur »Weltrekord-Kuh« werden ließ, da sie elftausendfünfhundertfünfzehn Liter Milch pro Jahr produzierte. Daraus konnten siebenhundertneunundvierzig Kilo frische normannische Butter
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