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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue
Autoren: Pierre Bellemare
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befestigte eine Schnur an dem Stein, der jetzt fast ganz lose war. Dann zog er sich zurück und rief seinen Freund Edouard an, der in der Schweiz geblieben war. Dieser sollte sich auf der Stelle in den Zug setzen und zu ihm kommen. Edouard informierte seine Mutter auf der anderen Seite der Grenze über dieses mysteriöse Projekt. Doch die Sozialarbeiterin, die sein Geld verwaltete, wollte ihm das Geld für die Fahrkarte nicht geben. Edouard wusste sich aber zu helfen und verabredete sich mit Antoine nicht weit entfernt von der Festung.
    Antoine schlug ihm voller Begeisterung vor, die Gänge zu erforschen, die sicherlich hochinteressant wären. Edouard verstand nicht, wozu das gut sein sollte. Fest stand jedoch, dass es ihn direkt in den Tod führen würde.
    Einige Tage später stellte ein Polizist, der sich in der Nähe der Festung aufgehalten hatte, fest, dass ein neuerlicher Einsturz das Aussehen der Anlage verändert hatte. Er näherte sich einem Steinhaufen, der neu war. Zwischen den Steinen entdeckte er einen Arm — es war der von Edouard. Die Untersuchung ergab schließlich, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben musste. Das Opfer schien sich, der Himmel mochte wissen, warum, in der Festung umgesehen zu haben. Unter seinen Füßen hatte wohl der Boden nachgegeben und ihn ins Leere befördert. Der arme Junge wurde auf der Stelle unter einer Steinlawine begraben. Seltsam war nur, dass er eine Zigarette zwischen den Fingern gehalten hatte.
    Als Antoine in der Schweiz vom Tod seines Freundes erfuhr, war er zutiefst erschüttert. Bei der Beerdigung hielt er am Sarg seines Angestellten eine Rede. Er bot auch an, sich am Grabstein seines Freundes zu beteiligen. Als im Laufe der folgenden Tage Edouards Schwester ihn um das versprochene Geld bitten wollte, war er allerdings seltsamerweise nicht zu erreichen. Und dennoch...
    Antoine dürfte wohl ziemlich schnell über den Tod seines Angestellten hinweggekommen sein. Vermutlich aus einem Instinkt heraus hatte er als voraussehender Chef bei der Einstellung des armen alkoholsüchtigen Edouard eine Lebensversicherung für diesen abgeschlossen und sich selbst als Begünstigten eingesetzt. Eigentlich war das ganz normal, da er die Prämien selbst bezahlte. Allerdings schien er in letzter Zeit immer mehr Probleme damit gehabt zu haben, sie rechtzeitig zu begleichen. Wäre Edouard ein paar Tage früher gestorben, hätte die Versicherung keinen Pfennig gezahlt. Seltsam. Man stellte eine Untersuchung an, die jedoch zu keinem Ergebnis führte. Antoine erhielt als erste Anzahlung eine Million französische Franc (etwa hundertsiebzigtausend Euro) ausbezahlt. Die Versicherung versprach, nach Klärung der Angelegenheit weitere drei Millionen auszubezahlen. Man müsse aber erst abwarten...
    Nach Edouards Tod und Begräbnis ging das Leben für Antoine weiter. Während er abwartete, genoss er das Leben. Offensichtlich machte er dabei etwas falsch, denn nach kurzer Zeit befand er sich wegen einer anstößigen Angelegenheit hinter Schloss und Riegel. Ihm wurde vorgeworfen, seine Adoptivtochter belästigt zu haben. In der Schweiz nennt man ein solches Vergehen »Angriff auf die sexuelle Integrität«. Antoine, der durch die Festnahme nervös geworden war, überlegte sich im Gefängnis, dass ihm das Geld der Versicherung wie gerufen käme, um sich einen Anwalt leisten zu können und seinen Aufenthalt hier angenehmer zu gestalten. Voller Ungeduld wartete er auf die drei Millionen Franc, die ihm die Versicherung noch schuldete. Er brachte dies lautstark zum Ausdruck und erregte dadurch die Aufmerksamkeit eines Richters. Allerdings nicht in dem von Edouards Freund gewünschten Sinne. Der Richter unterzog Antoine einem Verhör und stellte ihm Fangfragen. Die Untersuchung kam voran und allmählich zog sich die Schlinge zu.
    Schließlich brach Antoine zusammen. Er gestand, dass er seit Monaten versucht hatte, sich auf betrügerische Weise Geld zu beschaffen, indem er die von seinem Freund unterschriebene Lebensversicherung kassieren wollte. Als er ihn das erste Mal auf dem Fluss dahintreiben sah, hatte er nicht den Mut besessen nachzuhelfen. Als er beim zweiten Mal das Schloss der Wagentür manipuliert hatte, hatte er gehofft, dass sich Edouard zu Tode stürzen würde. Das dritte Mal hatte er, nachdem er den Stein des Abstützpunkts im Gang der Militäranlage gelockert hatte, darauf gelauert, dass der arglose Edouard den Fuß darauf setzen würde, was dann auch geschah. Edouard hatte
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