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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue
Autoren: Pierre Bellemare
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Mund-zu-Mund-Beatmung durch und pressten ihm das Wasser aus den Lungen. Edouard kam wieder zu sich, konnte sich jedoch an nichts erinnern. Nur allmählich kam ihm wieder ins Gedächtnis, dass etwas weiter oben am Fluss sein Freund wartete und auf seine Kleider aufpasste. Als er kurz darauf wieder auf Antoine traf, der immer noch an derselben Stelle saß, fragte er ihn leicht vorwurfsvoll: »Du hättest mich doch nicht etwa ertrinken lassen, oder?«
    »Ich glaubte, du machst Faxen«, erwiderte Antoine gepresst.
    Trotz seines Hangs zum Alkohol war Edouard ein gutmütiger Kerl und auch nicht nachtragend. Und wenn er einen Freund hatte, vertraute er ihm blind. Dies sollte allerdings zu seinem Untergang führen. Ein paar Tage später hatte er, durch zu viel Alkohol in seinem Erinnerungsvermögen beeinträchtigt, den ganzen Vorgang vergessen.
    Antoine unternahm anschließend mit seinem Angestellten eine Geschäftsreise. Die Straße war schmal, schlängelte sich gefährlich zwischen steinigen Randstreifen und tiefen Felsschluchten dahin. Das Ganze war auch deshalb gefährlich, weil Antoine es eilig zu haben schien. Er drückte aufs Gaspedal, als hätte er eine Verabredung mit dem Teufel. Neben ihm klammerte sich Edouard, leicht nervös, krampfhaft ans Armaturenbrett. Dennoch war er sich der Gefahr nicht voll bewusst. Seit dem Morgen hatte er bereits wieder einige Glas Weißwein und Bier zu sich genommen. Eine gefährliche Mischung! Nach ihrer letzten Rast, die im Übrigen nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, stand Edouard dermaßen unter Alkohol, dass er anfing, die Augen zu verdrehen. Die Wirtin des Gasthofs erkannte daran, in welch bedauernswertem Zustand sich Edouard befand. Er führte Selbstgespräche und versetzte seinem Freund und Chef einen Klaps, als wolle er ihn für einen Fehler bestrafen, den nur er selbst kannte. Antoine beschwerte sich lautstark über die offensichtliche Betrunkenheit seines Angestellten, die diesen sogar aggressiv werden ließ. Die Wirtin würde dies bei passender Gelegenheit bezeugen können.
    Antoine und sein Beifahrer fuhren also wie der Teufel auf einer nassen Serpentinenstraße. Plötzlich öffnete sich in einer besonders gefährlichen Kurve die Wagentür auf Edouards Seite und dieser wurde in eine Schlucht geschleudert. Antoine brachte den Wagen ein paar Meter weiter zum Stehen und rannte zu Edouard hin. Sein Freund lag unten im Geröll, das Gesicht blutverschmiert, die Glieder verdreht. Kein Zweifel, er war tot... Doch nein, der Tote bewegte sich, richtete sich auf und kam sogar auf die Beine! Er war zwar stark mitgenommen, aber nicht ernsthaft verletzt. Edouard kletterte die Böschung bis zur Straße hinauf. Sicherlich musste er ärztlich versorgt werden, doch war er immerhin am Leben. Leicht benebelt von zu starkem Alkoholgenuss, war er auf die Kieselsteine geschleudert worden, wo er weich aufgekommen war, wie das oft bei Betrunkenen der Fall ist, die gar nicht wahrnehmen, was geschieht. Und er hatte Glück gehabt.
    »Nun, Antoine«, stieß Edouard mühsam hervor, als der Freund bei ihm war, »du hättest mich ja um ein Haar ins Jenseits befördert.«
    Doch bereits ein paar Stunden später hatte Edouard wieder alles vergessen und hätte nicht mehr sagen können, was genau passiert war.
    Die Tage verstrichen. Edouard gab weiterhin die paar Groschen, die er besaß, für alle möglichen Getränke aus, sodass sein treuherziger Hundeblick immer verschwommener wurde. Antoine spielte weiterhin den wohlwollenden Chef und verblüffte alle durch fantastische Projekte: Erwerb eines Restaurants, Gründung einer Firma etc. Nur — mit welchem Geld?
    Dann fuhr Antoine allein nach Frankreich. Er hatte einen Plan, in den er Edouard nicht eingeweiht hatte. Er führte auch die Werkzeuge mit sich, die für die Umsetzung dieses Plans erforderlich waren. Antoine fuhr zur Festung Kleber, einer alten Militäranlage aus dem Jahr 1870, die schon seit langem dem Verfall preisgegeben war und durch die Tunnel und gefährliche Gänge führten, die nicht einmal mehr als Schlupfwinkel für Liebespaare dienen konnten. Antoine ging durch eine quietschende Eisentür, betrat einen Gang, der unter einem Gewölbe lag, und sah sich nach einer passenden Stelle um. Er kratzte am Zement und lockerte einen Stein. Hier befand sich ein Abstützpunkt, der einen Teil der ganzen Anlage zusammenhielt. Der Unternehmer war technisch begabt und achtete sorgfältig darauf, dass nicht die ganze Decke des Gangs einstürzte. Er
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