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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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und im September 1995 in Anwesenheit von 600   Gästen feierlich eröffnet. Altbundeskanzler Helmut Schmidt hielt die Festrede. Obwohl Bismarck durch die Lande reiste und Spenden und Gelder für sein Lieblingsprojekt einwarb, blieb Külz aufgrund seines Standortproblems defizitär. Es war unmöglich, einen ständigen Tagungsbetrieb zu organisieren. Hinzu kamen die schlechten Straßenverbindungen nach Stettin. Seine Kinder sahen mit wachsender Sorge, dass sich der Vater in den letzten Jahren seines Lebens mit dem Projekt übernahm und in der gewaltigen Aufgabe verzehrte. Den defizitären Tagungsbetrieb glich Bismarck zunächst mit Eigenmitteln aus. Schließlich gelang es den Kindern, den Vater dazu zu überreden, Külz vollständig in die Hände der polnischen Stiftung zu übergeben, die an dem Projekt von Anfang an beteiligt gewesen war. Die Söhne traten für die aufgelaufenen Schulden ein.
    Heute ist Külz ein Tagungszentrum der Universität Stettin. Bei einem kurzen Besuch macht es keinen besonders dynamischen Eindruck. Die direkte Umgebung hat einen Hauch von Tristesse und wird nicht hinreichend gepflegt.
    Ende der 1970er-Jahre, Philipp von Bismarck hatte bereits das Pensionsalter überschritten, stellte er sich zur gleichen Zeit wie sein Bruder Klaus einer neuen Herausforderung: Er kandidierte bei den ersten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979. Aus der nationalen Politik wechselte er nach Straßburg und Brüssel, was ihm leichtfiel, denn er hatte sich mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ( CDU ) nicht besonders gut verstanden. Und die neue Mannschaft um Helmut Kohl, die drei Jahre später in Bonn die Regierungsgeschäfte übernahm, war im Schnitt fast 20   Jahre jünger als der gebürtige Pommer. Bismarck übte das neue Mandat zehn Jahre lang aus.
    Es waren nochmals Jahre einer großen Horizonterweiterung. Die enge Partnerschaft mit den USA blieb für Bismarck wichtig, aber in diesen späteren Lebensjahren wurde er ein Europäer aus Passion. Er schloss viele Freundschaften mit französischen und britischen Parlamentariern. Er wurde ein Frankreichkenner und Ritter der Ehrenlegion. Zu der Zeremonie in Paris kam seine ganze Familie. Zur CDU setzte während der Kanzlerschaft von Helmut Kohl eine wachsende Entfremdung ein. Bismarck, der sich mit Helmut Schmidt gut verstand, der ihn hoch schätzte, bekannte schließlich, wohl in der falschen Partei gewesen zu sein.
    Philipp von Bismarck starb am 20.   Juli 2006 in Obernholz bei Gifhorn. In diesem niedersächsischen Wahlkreis hatte seine politische Karriere einst begonnen. Prägender war für ihn jedoch der Tag 62   Jahre zuvor gewesen. An diesem heißen 20.   Juli 1944 hatte er angesichts der Ereignisse in Berlin wie sein Bruder den Atem angehalten. Eine ähnliche Symbolkraft hatte auch der Todestag seiner Frau einige Monate zuvor gehabt. An einem 3.   Februar hatte sie den Bismarck’schen Besitz in Pommern für immer verlassen.
     
    Dies sind zwei Bismarck-Karrieren, die stellvertretend für zahlreiche erfolgreiche Lebensverläufe der diversen Familienzweige nach 1945 stehen. Die Suche nach den Spuren der Vergangenheit führt im Frühling 2012 nach Pommern. Von Stettin geht es zunächst nach Nordosten. 50   Kilometer östlich von Köslin liegt Varzin tief in Hinterpommern, auf den letzten Kilometern nur auf einer Holperstrecke erreichbar. Dorthin floh Otto von Bismarck, wenn es ihm in Berlin zu viel wurde. Zwei Autostunden südlich davon befindet sich die zweite »Kernzelle« der Familie neben der Altmark. In einer guten Stunde lässt sich der dortige Besitz der Bismarcks zu Fuß durchmessen. Hier, im Naugarder Land, fühlte sich Otto von Bismarck am meisten zu Hause. In Jarchlin, unweit des Kniephofs, kamen Klaus und Philipp von Bismarck zur Welt. Kurz hinter der Dorfkirche beginnt die etwa zwei Kilometer lange Eichenallee, die das Dorf mit dem noch kleineren Flecken Kniephof verbindet. Ausgerechnet diese wenigen Quadratkilometer wirken trotz des Glanzlichts des Herrenhauses von Külz, das zwei Kilometer südlich von Jarchlin liegt, im Vergleich zur übrigen Landschaft heruntergekommen, stellenweise verwahrlost.
    Vor allem die Allee, die von der Landstraße im rechten Winkel abgehend auf Külz zuführt, stimmt wehmütig. Hat man sie im Rücken, wirkt vieles stimmig, schaut man jedoch in die Gegenrichtung, werden die Brüche sichtbar. Mitunter hat der Krieg so viel zerstört, dass nur alte Baumgruppen in der versteppten
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