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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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Lebensschwerpunkt in Metropolen: Berlin, Wien, Rom, Paris und New York. Sie lebten wie englische Landlords, aber schwerpunktmäßig in der Stadt.
    Somit hat Herbert von Bismarck, der große Englandfreund, Schicksal für die Familie gespielt. London ist neben Friedrichsruh der »stronghold« der Familie geblieben – als wenn Herbert seinen Kindern eingeflüstert hätte: Haltet an ihm fest. Tochter Hannah erhielt den Namen der Frau seines Freundes Rosebery. Sein ältester Sohn Otto war als Diplomat zweimal in London auf Posten. Über seinen Bruder Albrecht führte die SS ein Dossier wegen seiner Anglophilie. Ottos ältester Sohn Ferdinand kam in der britischen Hauptstadt zur Welt. In der darauffolgenden Generation, also in der ersten Nachkriegsgeneration der Bismarcks, ist London für die Familie noch wichtiger geworden.
    Malinowski irrt auch an anderer Stelle. Die Bildungsabschlüsse bei den Bismarcks sind über drei Generationen hinweg anhaltend hoch gewesen. Ein erstes juristisches Examen blieb Standard bei den Männern, auch wenn es Albrecht aus persönlichen Gründen nicht abgelegt hat: Er ging schon in der Weimarer Republik ins Exil. Die weiblichen Bismarcks huldigten einem konservativen Frauenbild. Emanzipierte Frauen befinden sich zunächst nur selten unter ihnen. Aber das hat sich mittlerweile geändert.
    Das karge Leben der preußischen Landjunker war für die Familie schon in den 1860er-Jahren beendet. Durch Zuheiraten mit englischem, schwedischem, österreichischem und französischem Hintergrund ist es ein Leben geworden, das die Grenzen zu schwer zu rechtfertigendem Luxus gelegentlich streift und überschreitet. Zu dem Erscheinungsbild in der deutschen Öffentlichkeit tragen die Bismarcks somit auch selbst bei. Sie sind Figuren des öffentlichen Lebens. Ihnen Antisemitismus oder Rechtsradikalismus anzudichten, weil immer wieder kleine, unbedeutende »Traditionsformationen« das Bismarck’sche Erbe zu usurpieren versuchen, ist nicht fair.
    Auf der anderen Seite reicht es nicht aus, der mitunter in der Argumentation hilflos wirkenden Familie einige Historiker an die Seite zu stellen. Das Studium der kleinen Fotogalerie in der Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh zeigt, dass sich die deutsche Gesellschaft zu wenig für die Familiengeschichte interessiert, die Teil der nationalen Geschichte ist. Auf den Fotos sind Politiker zu sehen, vor allem jedoch Lehrgänge der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Wo bleiben die anderen Führungsgruppen der deutschen Gesellschaft? Stattdessen wallfahrtet das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen zu Hochzeiten der englischen »Royals«, wie zuletzt im April 2011 geschehen.
    Was die Geschichte der Bismarcks während des Dritten Reichs anbetrifft, sind die bestehenden (Vor-)Urteile deutlich zu korrigieren. Die Kernfamilie hat sich trotz aller Bemühungen der ältesten Enkelin Hannah nicht immun gegenüber den totalitären Versuchungen gezeigt. Drei der fünf Enkel, die jungen Männer, nicht ihre Schwestern, haben sich in den Tagen der Machtergreifung der Nationalsozialisten berufliche Chancen ausgerechnet. Aber schon wenige Jahre später waren alle Illusionen verflogen; spätestens ab 1938 gingen auch die Sympathisanten auf Distanz zum Regime. Den Bismarck’schen Namensträgern wurde klar, dass die Suche nach einer Position der Mitte in einem diktatorischen Regime nicht möglich ist. Man musste sich entscheiden.
    So hat der Name der Familie auch im Dritten Reich gehalten, vor allem dank Enkelin Hannah. Sie und ihr Bruder Gottfried waren in letzter Konsequenz dazu bereit, ihr Leben im Widerstand gegen das NS -Regime einzusetzen. Goedela und Albrecht zeigten ebenfalls großen Mut: sie als Ehefrau eines von den Nationalsozialisten bedrängten Schriftstellers, Albrecht als Wehrmachtsdeserteur. Nur Otto blieb abgesehen von einem mutigen Auftritt vor Hitler im März 1933 Diplomat. Aber er riskierte auf verlorenem Posten in Italien sehr, sehr viel. Somit lässt sich konstatieren, dass die Bismarcks als Familie mit Blessuren in das Dritte Reich hineingingen, aber mit Anstand herauskamen. Entscheidend bleibt das Verhalten beim »Endspiel«.
    In einer Gesellschaft, die sich infolge der »braunen Revolution« (David Schoenbaum) in ihre Bestandteile auflöste, in der es kaum noch Loyalitäten gab, funktionierte der Bismarck’sche Familienverbund wie eine Geheimorganisation. Für die neuen Eliten des Dritten Reiches zählte der Name nicht mehr viel. Aber in den Strukturen,
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