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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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Fortsetzungsgeschichte, die von den Lesern und Zeitgenossen mit Spannung erwartet wurde, nie ausgeliefert worden wäre.
    Die Katastrophe des Dritten Reiches hat zu weiteren Verwerfungen geführt – und am Ende zu der (irrigen) Annahme, die Familie Bismarck habe in schweren Zeiten für die Nation keine Orientierung geboten, sei somit nicht besser gewesen als der Durchschnitt der Deutschen.
    Dies mag dazu beigetragen haben, dass neben der Geschichte des Sohnes und Außenamts-Staatssekretärs die Geschichte der Enkel bislang ebenfalls nicht geschrieben worden ist. Sie umfasst im Übrigen nicht nur das Dritte Reich, sondern beginnt noch im Kaiserreich und endet in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik. Es sollte zu denken geben, dass die älteste Enkelin des Reichsgründers Deutschland nach 1945 verlassen hat, ähnlich wie Freya von Moltke und andere Witwen des deutschen Widerstandes es getan haben, und dass der jüngste Bismarck-Enkel Wehrmachtsdeserteur war.
    Stattdessen hat es sich die bundesdeutsche Öffentlichkeit leicht gemacht mit dem Blick auf jene Nachfahren des Reichskanzlers, die in Illustrierten-Formate oder sensationelle Schlagzeilen passen. Die wichtige Frage, was aus dem geistigen Erbe und den Besitzungen wird, die das Kaiserreich der Familie einst (treuhänderisch) vermachte, wird nicht erörtert. Im Falle von Friedrichsruh wird sie den Nachfahren Bismarcks überlassen, im Falle von Schönhausen dem »armen« Bundesland Sachsen-Anhalt. Aber es handelt sich um Kulturgüter der Nation.
    Es gibt kein echtes öffentliches Interesse an den Bismarcks, außer an Feiertagen. Sie sind Teil der allgemeinen Geschichtsvergessenheit geworden, an der sich nur etwas ändert, wenn das Internet Daten zu Jahrestagen ausspuckt. Deutschland will über eine seiner wichtigsten Familien nichts, jedenfalls nichts Genaues wissen. Denn selbst die Berichte über den Glamourteil der Bismarcks wimmeln von Fehlern.
    Wie stehen die Bismarcks am Ende in einer Drei-Generationen-Perspektive in einem Zeitraum von knapp 200   Jahren heute da? Wenn man die Fixierung auf den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 für einige Augenblicke fortlässt, bemerkenswert gut. Sie sind eine Familie, die schon um 1900 aus Deutschland herausgewachsen ist, zunächst eine europäische Entwicklung nimmt, um sich dann weltweit zu orientieren. In gewisser Weise hat nach dem Tod der Enkelgeneration eine Entkoppelung des Namens Bismarck von Deutschland stattgefunden. Gleichzeitig ist die Wertschätzung des Namens international hoch geblieben. Für die Funktionseliten der westlichen Welt ist der Name Bismarck weiterhin ein Begriff. Aber auch in Deutschland sind große Unternehmen und herausragende Firmengründer wie Rudolf Augstein stolz darauf gewesen, einen echten Bismarck in ihren Reihen zu haben. Und sie sind es noch heute.
    Die Grundlagen für die Internationalisierung der Bismarcks werden bereits um 1900 gelegt. Gleichzeitig verschiebt sich der Schwerpunkt der Familie vom Land in die Stadt, von den in Preußen gelegenen Besitzungen fort nach Berlin, nach Wien und vor die Tore von Hamburg. Sie werden Nordelbier. Und sie bleiben, wie der alte Bismarck, gesellschaftliche Außenseiter, obwohl der Name noch lange Zeit wie ein Tanker inmitten der deutschen Gesellschaft fährt.
    In der Geschichtswissenschaft erregte vor einigen Jahren eine Dissertation Aufsehen, die den Weg beschreibt, den der deutsche Adel zwischen 1918 und 1933 innergesellschaftlich zurücklegte. Dort definierte Stephan Malinowski in seinem Werk Vom König zum Führer eine Reihe von Kriterien, die den Niedergang des Adels und seine Verfügbarkeit für das NS -Regime verdeutlichen sollen. Kaum eines dieser Kriterien trifft auf die Bismarcks zu. Abgesehen davon, dass Malinowski in seiner Studie die Bismarcks auf bemerkenswerte Weise umschifft, ist seine Einschätzung nur an einer Stelle richtig: In der Tat haben die Schönhausener Bismarcks einen gewissen Abstand zur Erwerbsarbeit an den Tag gelegt und tun dies noch immer. In den anderen Familienzweigen wird hart gearbeitet. Auch Ferdinand von Bismarck war viele Jahre lang als Anwalt tätig, ging in Brüssel und in Deutschland bezahlten Tätigkeiten nach.
    Aber die Bismarcks haben sich entgegen der Klassifizierung von Malinowski nach dem Tod des Gründervaters, der Berlin nicht mochte, den großen Städten zugewandt. Sie haben nicht den Rückzug aufs Land angetreten. Mit Ausnahme von Goedela hatten alle anderen Bismarck-Enkel ihren
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