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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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Parallele herstellen, in der internationalen Presse auf. 2 Der große Unterschied zwischen damals und heute: Deutschland ist von Partnern und Freunden umgeben. Es hat seine endgültige Gestalt als Territorium gefunden, es ist Bismarcks Erbe.
    Es gibt jedoch nur wenige Anzeichen dafür, dass Deutschland dazu bereit ist – anders als das unruhige und sich permanent anbietende Kaiserreich –, die aus dieser Rolle herrührenden Pflichten und Lasten im europäischen Kontext zu übernehmen. Deutschland liebt es, sich zu verstecken und auf die außenpolitischen Fehlentwicklungen zu verweisen, die nach Bismarck hierzulande eingetreten sind. Aber dieser Hinweis wird nicht länger geglaubt, er wird den Deutschen samt ihrer Neigung zur Selbstprovinzialisierung nicht mehr abgenommen. Es ist daher Aufgabe der deutschen Parteien, politisches Personal heranzuziehen und bereitzustellen, das anders als die Nachfolger des Reichskanzlers in der Lage ist, dieser Führungsaufgabe gerecht zu werden. Dazu gehört auch ein Diskurs mit der Nation, wie er in Zeiten der sozialliberalen Koalition zwischen 1969   –   1982 zum letzten Mal geführt wurde.
    Dazu gehört auch eine Normalisierung des Verhältnisses der Deutschen zum Adel. Er hat 1000   Jahre lang Politik und Gesellschaft geprägt. Eine endgültige Einschätzung seiner Rolle knapp 100   Jahre nach dem Ende der Monarchie und 70   Jahre nach seinem partiellen Versagen als Vorbild in Zeiten der Anfechtung durch eine Diktatur ist noch nicht möglich. Es kann sein, dass das Zeitalter der Globalisierung dem Adel neue Aufgaben zuweist. Denn auf die aktuellen Trends in der Welt ist er, trotz berechtigter Kritik an seinem Verhalten zwischen 1918 und 1945, glänzend vorbereitet. Das kurze Kapitel des Auf- und Abstiegs der Guttenbergs zeigte Sehnsüchte, die in der Gesellschaft weiterhin schlummern. Richtig ist aber auch, dass sich die deutsche Elite abschottet. Und: Es gibt einen neuen »Adel«, den die Medien kreieren: das Sport- und Kulturmäzenatentum in Klein- und Mittelstädten mit der Sonderrolle des mittelständischen Unternehmers und Fußballvereins-»Präsidenten«. Ausgerechnet in Potsdam findet es in seiner bislang ausgeprägtesten Form statt, mit dem Sonderstatus für den Mitbegründer eines Software-Unternehmens, einen Modedesigner und einen TV -Moderator. Das Trio ist in der Lage, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und Beschlüsse des Stadtparlaments und des Landtags von Brandenburg mit öffentlichen Auftritten und gezielten Kampagnen umzustoßen. Glücklicherweise ist sein Engagement sinnvoll und in einer Stadt, in der die Funktionselite der DDR ausgebildet wurde, mangels Bürgertums stilbildend.
    Innerhalb der deutschen Führungsgruppen ist der Adel, der 0,2   Prozent der Bevölkerung stellt, noch immer mit Abstand am besten vernetzt. Seine Mitglieder sind in ihrem Denken Europäer und Weltbürger, wie ihre adeligen Verwandten in den Nachbarländern, die weiterhin eine erhebliche Rolle in der Politik spielen. In den egalitär verfassten Demokratien der Gegenwart sind die Adeligen unangreifbar. Es gibt eine schwer zu fassende Solidarität und Hilfsbereitschaft in ihren Kreisen, wenn ein Mitglied in Schwierigkeiten gerät. Man kennt sich. Die Beziehung zum Geld ist bemerkenswert distanziert. Man hat es – oder die Vorfahren hatten es. Irgendwie wird es weitergehen. Selbst in schwierigster finanzieller Situation wird großzügig in die Ausbildung der Kinder investiert. Viele Adlige haben große Familien. Drei und mehr Kinder sind keine Seltenheit.
    Langfristig sind die Adeligen somit unverzichtbar für ein Land, das schwache, unterentwickelte Traditionen hat, besonders in der Außenpolitik. Denn am Ende wird es wie vor 100   Jahren, aber dieses Mal auf andere Weise, stark von Deutschland abhängen, wie sich der Kontinent in der Weltpolitik des neuen Jahrtausends behaupten wird, neben der Weltvormacht USA , die, auch wenn sie sich momentan in einer tief greifenden Vertrauenskrise befindet, an Vitalität nicht einbüßt, im Zeichen des Aufstiegs von Asien und der Unruhezone des Nahen und Mittleren Ostens.
    Das Studium der internationalen Politik im 19.   Jahrhundert hat somit nicht nur antiquarischen Wert. Es lässt Rückschlüsse auf die Gegenwart zu. Eine entspannte Nation sollte somit ihren Frieden mit der Bismarck-Familie machen. Sie sollte über die innenpolitischen Defizite des Reichsgründers endlich hinwegkommen und sich seiner anhaltenden Bedeutung für eine
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