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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2
Autoren: Émile Zola
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sich Schnörkelwerk von Zweigen und Blüten; die Balkone glichen Körben voll Laub, die von großen nackten Frauengestalten mit verdrehten Hüften und straffen Brüsten emporgehalten wurden; außerdem waren allenthalben Phantasiewappen angebracht, Weintrauben, Rosen, alles, was man aus Stein oder Marmor erblühen lassen kann. Je höher man hinaufblickte, desto blühender entfaltete sich der Zierat. Rings um das Dach lief eine Balustrade, in regelmäßigen Abständen mit Urnen besetzt, aus denen steinerne Flammen emporloderten. Und hier, zwischen den runden Mansardenfenstern, die sich in einem unglaublichen Gewirr von Früchten und Blattwerk öffneten, thronten die Glanzstücke dieser erstaunlichen Dekoration, die Giebel der Pavillons, in deren Mitte abermals große nackte Frauengestalten erschienen, die, in den verschiedensten Stellungen, zwischen Binsenbüscheln, mit Äpfeln spielten. Das mit all diesem Schmuck beladene Dach, noch überragt von Galerien aus ausgezacktem Blei, zwei Blitzableitern und vier riesigen, symmetrisch angeordneten Kaminen, die wie alles übrige mit Skulpturen versehen waren, schien die Krönung dieses architektonischen Feuerwerks darzustellen.
    Rechter Hand befand sich ein geräumiges Gewächshaus, eng an den einen Flügel des Palais gelehnt, und durch die Glastür des Salons mit dem Erdgeschoß verbunden. Der Garten, den ein niedriges, durch eine Hecke verstecktes Gitter vom Parc Monceau trennte, war ziemlich abschüssig. Zu klein im Verhältnis zum Wohngebäude, so eng, daß nur ein Rasen und einige Gruppen immergrüner Bäume darin Platz fanden, war er lediglich ein Hügel, eine Art grünen Sockels, auf dem das Palais in seiner Galatoilette hochmütig thronte. Vom Park aus betrachtet, über den tadellos gehaltenen Rasen und die niedrigen Bäume hinweg, deren Laub wie lackiert glänzte, hatte dieser noch neue mattweiße Riesenbau mit seiner schweren Schieferkappe, seinem vergoldeten Gitterwerk, seiner Überfülle an Skulpturen das bleiche Gesicht, die üppige und alberne Aufdringlichkeit eines Emporkömmlings. Es war ein neuer Louvre13 in kleinerem Maßstab, eines der charakteristischen Musterbeispiele des Stils unter dem dritten Napoleon14, jenes strotzenden Bastards sämtlicher Stile. An Sommerabenden, wenn die schrägen Sonnenstrahlen das Gold des Gitterwerks an der weißen Fassade aufleuchten ließen, blieben die Parkbesucher stehen und betrachteten die gerafften rotseidenen Fenstervorhänge des Erdgeschosses; und durch die großen, klaren Fensterscheiben, die, wie die Schaufenster der großen modernen Läden, dazu geschaffen schienen, den inneren Prunk nach außen zur Schau zu stellen, gewahrten die Kleinbürgerfamilien Teile von Möbeln, Stoffstücke, Ausschnitte der Zimmerdecken von so blendendem Reichtum, daß sie beim bloßen Anblick vor Bewunderung und Neid wie angewurzelt mitten auf der Allee stehenblieben.
    Doch zu dieser Stunde sank die Dunkelheit von den Bäumen herab, die Fassade schlummerte. Drüben im Hof hatte der Kammerdiener Renée ehrerbietig aus dem Wagen geholfen. Die Stallungen, mit Streifen aus roten Ziegeln abgesetzt, öffneten rechts ihre braunen Eichentore zu einem verglasten Wagenschuppen hin. Zur Linken, wie um der Symmetrie Genüge zu tun, schmiegte sich an die Mauer des Nachbarhauses eine reichgeschmückte Nische, in der ständig Wasser aus einer Muschel herabfloß, die von zwei Amoretten15 mit gestreckten Armen gehalten wurde. Die junge Frau blieb einen Augenblick am Fuß der Freitreppe stehen und schlug leicht auf ihren Rock, der sich nicht glätten wollte. Der Hof, den eben noch das Pferdegetrappel erfüllt hatte, versank wieder in seine Einsamkeit, sein aristokratisches Schweigen, das nur die ewige Melodie des Wassers belebte. Und in der schwarzen Masse des Gebäudes, darin bald das erste der großen Herbstdiners die Kronleuchter entzünden sollte, flammten nur die unteren Fenster wie glühende Kohlen und warfen einen hellen Feuerschein auf das Kleinpflaster des Hofes, das regelmäßig und sauber war wie ein Damebrett.
    Als Renée die Tür zum Vestibül öffnete, fand sie sich dem Kammerdiener ihres Mannes gegenüber, der gerade mit einem silbernen Kessel in die Wirtschaftsräume hinuntergehen wollte. Der Mann sah prächtig aus, ganz in Schwarz gekleidet, groß, kräftig, mit blassem Gesicht, dem tadellosen Backenbart eines englischen Diplomaten und der ernsten, würdevollen Miene eines Beamten.
    »Baptiste, ist der Herr zu Hause?« fragte die junge
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