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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2
Autoren: Émile Zola
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bleiche Arc de Triomphe11 von einem riesigen, rußfarbenen Himmel ab.
    Während die Kalesche in rascherem Trab dahinfuhr, betrachtete Maxime, vom englischen Stil der Landschaft entzückt, die Palais zu beiden Seiten der Allee, ihre launische Architektur, ihre Rasenflächen, die bis zu den Reitwegen herabreichen. Renée, noch befangen in ihren Träumereien, unterhielt sich damit, zuzusehen, wie unten am Horizont die Gaslaternen des Place de l’Étoile eine nach der andern aufleuchteten, und während die funkelnden Lichter den sterbenden Tag mit gelben Flämmchen tupften, glaubte sie heimliche Rufe zu vernehmen, schien es ihr, als beleuchte sich eigens für sie das strahlende Paris der Winternächte so festlich und halte für sie den noch unbekannten Genuß bereit, von dem sie sich Befriedigung erhoffte.
    Der Wagen fuhr durch die Avenue de la Reine Hortense und hielt dann am Ende der Rue Monceau, wenige Schritte vom Boulevard Malesherbes entfernt, vor einem großen Palais, das zwischen Hof und Garten lag. Jedes der beiden mit vergoldetem Zierat überladenen Gittertore, die in den Hof führten, war von zwei urnenförmigen, ebenfalls reich vergoldeten Laternen flankiert, in denen große Gasflammen brannten. Zwischen beiden Toren bewohnte der Pförtner ein zierliches Häuschen, das entfernt an einen kleinen griechischen Tempel erinnerte.
    Als der Wagen in den Hof einbog, sprang Maxime leichtfüßig hinaus.
    »Du weißt ja«, sagte Renée zu ihm und hielt ihn dabei mit der Hand zurück, »wir gehen um halb acht zu Tisch. Du hast mehr als eine Stunde zum Umkleiden. Laß nicht auf dich warten.«
    Und mit einem Lächeln fügte sie hinzu: »Die Mareuils kommen … Dein Vater wünscht, daß du aufmerksam zu Louise bist.«
    Maxime zuckte mit den Achseln.
    »Das ist ja die reinste Fron!« murmelte er verdrießlich. »Ich will ja gern heiraten, aber jemandem den Hof machen ist doch zu albern … Ach! es wäre reizend von dir, Renée, wenn du mir Louise heute abend vom Halse halten wolltest.«
    Er spielte wieder den Komiker, ahmte in Ton und Grimasse Lassouche12 nach, wie jedesmal, wenn er einen seiner gewohnten Witze verzapfte: »Willst du, geliebte Stiefmutter?«
    Renée schüttelte ihm die Hand wie einem guten Kameraden. Dann sprudelte sie in etwas gereiztem, keckem Ton spöttelnd hervor: »Sieh einer an! Wenn ich nicht deinen Vater geheiratet hätte, würdest du, glaube ich, mir den Hof machen!«
    Der junge Mann mußte diesen Einfall sehr drollig finden, denn er war bereits um die Ecke des Boulevard Malesherbes, als er noch immer lachte.
    Die Kalesche fuhr unterdessen in den Hof und hielt vor der Freitreppe.
    Diese Freitreppe mit niedrigen, breiten Stufen hatte ein großes gläsernes Schutzdach, das ein Bogenbehang mit Fransen und goldenen Quasten umsäumte. Die beiden Stockwerke der Villa lagen über den Wirtschaftsräumen, deren knapp über dem Erdboden angebrachte kleine Fenster mit Mattscheiben versehen waren. Die vorspringende Vestibültür oben auf der Freitreppe war von schmalen, in die Mauer eingelassenen Säulen flankiert und bildete so eine Art Vorbau, der, in jedem Stockwerk von einem Rundfenster durchbrochen, bis zum Dach anstieg, wo er in einem dreieckigen Giebel endete. Die Stockwerke wiesen zu beiden Seiten je fünf Fenster auf, die sich in regelmäßigen Abständen an der Fassade entlangreihten und von einfachen Steinrahmen umgeben waren. Das Mansardendach hatte vier große, beinahe senkrechte Seitenflächen.
    Auf der Gartenseite aber war die Fassade sehr viel prächtiger. Eine wahrhaft königliche Freitreppe führte zu einer schmalen Terrasse, die sich an der ganzen Länge des Erdgeschosses hinzog; die Terrassenrampe, im Stil der Gitter des Parc Monceau, war noch stärker mit Gold überladen als das Schutzdach und die Laternen des Hofes. Dahinter erhob sich das Palais, mit zwei Pavillons an den Ecken, turmartigen, halb in den Block des Hauses einbezogenen Vorbauten, die im Inneren runde Gemächer bargen. In der Mitte sprang ein noch tiefer eingelassenes Türmchen nur wenig vor. Die Fenster, an den Vorbauten hoch und schmal, an den flachen Teilen der Fassade weiter voneinander entfernt und fast quadratisch, hatten im Erdgeschoß steinerne Balustraden, in den oberen Stockwerken halbhohe Gitter aus vergoldetem Schmiedeeisen. Es war eine Schaustellung, eine Verschwendung, ein Übermaß von Reichtum. Das ganze Gebäude verschwand förmlich unter Skulpturen. Rings um die Fenster und an den Gesimsen entlang schlang
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